Tal ohne Sonne
umsahen. »Platz genug, eine stumme, bleiche Gesellschaft, immer ein wohltuendes Halbdunkel, natürliche Ventilation durch Boden und Dach, was will man mehr?« Er verbeugte sich vor einem der bleichen Totenschädel und knallte die Hacken zusammen. »Gestatten, Sir … John Hannibal Reißner mein Name. Erfreut, Sie zum Schlafgenossen zu haben.«
»In zwei Stunden sieht es hier anders aus.« Pater Lucius ging von einem Ende des Hauses zum anderen und kam sehr zufrieden wieder zurück. »Wenn wir erst ausgepackt haben, die Schlafsäcke, die Lampen, das ganze Material … Ihr müßt zugeben: Der erste Tag war sehr erfolgreich. Wir sind bei den Kopfjägern als Freunde aufgenommen worden. Wenn das kein guter Anfang ist!«
Zum Auspacken aber kamen sie noch nicht.
Während durch die hintere Tür die Kisten, Kartons, Ballen und Säcke hereingebracht wurden, erschienen an der vorderen Tür, wie eine Woge, die durch eine Enge bricht, zwanzig Männer, beladen mit Bergen von Sojakuchen, kleingehacktem Brennholz, frischen Tabaksblättern, unbekannten, langen schwarzen Wurzeln, Bananen und Früchten, die wie Papayas aussahen. Aber das köstlichste Geschenk in den Augen der Papuas waren die Säckchen voll lebender Sagowurmlarven, großer, feister Larven, die übereinanderkrochen, fingerdicke, gerippte, bleiche oder rahmgelbe, über fünf und mehr Zentimeter lange und glatte Scheusale mit eisenharten kleinen Köpfen, mit denen sie sich in das faulende, weiche Mark abgestorbener Sagobäume bohren und dort förmlich in ihrer Nahrung schwimmen.
Die Uma wußten genau, wann diese dicken, ekelhaften, glitschigen Larven den Höhepunkt ihrer Mast erreicht hatten; dann schälten sie die Rinde des Sagobaums ab und ernteten die sich wütend windenden, prall vollgefressenen Larven und kochten oder rösteten sie.
Pater Lucius nahm die aus Binsen geflochtenen Säckchen mit den Sagowurmlarven an sich und legte sie neben sich. Bei jedem Geschenk bedankte er sich durch ein Kopfnicken und gab die Sagokuchen und die anderen Geschenke weiter.
»Ich weigere mich, diese Larven zu fressen!« knurrte Reißner verhalten. »Das überlasse ich Ihnen, Pater. Das gehört zum Missionieren.«
»Noch verlangt das keiner.« Pater Lucius nahm wieder einen prall mit krabbelnden Larven gefüllten Beutel entgegen. »Ahnen Sie überhaupt, was das für diese Menschen bedeutet, uns ihre wertvollen Sagowurmlarven zu schenken? Ihre Haupteiweißnahrung? Das ist nicht nur Freundlichkeit, das ist ein echtes Opfer.«
»Und wann packen wir unsere Geschenke aus?« fragte Kreijsman.
»Morgen früh.« Zynaker legte einen Arm voll Sagokuchen neben sich auf die Matte. Immer mehr Kuchen wurden hereingebracht. Vor Pater Lucius und Zynaker baute sich ein Berg von Gebäck auf und ein Hügel von Säckchen, in denen sich die ekligen, glitschigen Larven zuckend bewegten.
»Nein! Auch das noch!« stöhnte Reißner plötzlich auf. In der Türöffnung tauchten vier Männer auf, grinsend und gestikulierend, und schoben zwei kleine schwarze Schweine in das Männerhaus. Quiekend, als habe man sie angestochen, sausten sie durch den langen Saal, prallten am Ende gegen die dort aufgestapelten Kisten und rasten mit ohrenbetäubendem Geschrei zurück zum anderen Ausgang. Dort aber standen die vier lachenden Krieger und trieben sie mit Stockschlägen wieder in den Saal.
»Ich muß hier raus!« stöhnte Kreijsman. »Ich muß an die Luft! Riechen Sie nicht den Gestank von angewestem Fleisch?«
»Davon haben wir bestimmt zehn Pfund bekommen. Diese Gastfreundschaft ist unvergleichbar. Wenn Sie jetzt weglaufen, Fred, beleidigen Sie den ganzen Stamm. Wir müssen das einfach ertragen.«
»Diese Larven –«
»Wir schenken sie den Papuas morgen früh wieder zurück.« Zynaker schob zwischen den zuckenden Berg der Larven und sein Lager eine Wand von Sagokuchen.
»Wenn das geht, Donald.« Pater Lucius blickte zu den zwei kleinen Schweinen hinüber, die sich an die Wand gedrückt hatten und ängstlich um sich starrten. Über ihnen hing eine lange Kette mit bleichen Schweinskinnbacken. In gar nicht langer Zeit würden auch ihre Knochen als Schmuck irgendwo in oder an einem Haus hängen. »Ich fürchte, sie gehören morgen zum großen Festmahl.«
Schmitz, der bisher wortlos auf dem Boden gesessen hatte und die Geschenke annahm, schien eine Idee zu haben. Er winkte Samuel zu sich, der vor Freude über die vielen Geschenke von einem Fuß auf den anderen hüpfte. »Hast du nicht erzählt, daß vom
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