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Talitha Running Horse

Talitha Running Horse

Titel: Talitha Running Horse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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werden.
    Neil war einer der Ersten, der wieder auf seinem Pferd saß. Auf seinen Ruf hin war Taté sofort zu ihm gekommen, gefolgt von Stormy. Ich legte ihr das Zaumzeug an und band sie an den Koppelzaun, damit sie nicht auf die Idee kam, noch einmal davonzulaufen.
    Dann sah ich zu, wie Neil und einige andere, die schon wieder auf ihren Pferden saßen, mit Lassos die weniger gehorsamen Tiere einfingen. Tom Thunderhawk kam zu mir und brachte mir einen Becher mit heißem Tee und ein frisches Fry Bread, das mit Staubzucker bestreut war.
    Â»Schöne Bescherung«, sagte er kopfschüttelnd. Er lachte über ein Pony, dass sich partout nicht einfangen lassen wollte.
    Â»Wer war denn zuletzt bei den Pferden?«, fragte ich.
    Tom hob die Schultern. »Ich glaube nicht, dass jemand von uns vergessen hat, den Zaun zu schließen. Ich denke, die Spirits haben uns einen Streich gespielt. Sie hatten lange nichts zu lachen und nun haben sie sich eben mal einen richtigen Spaß gegönnt.«
    Nachdem alle Pferde wieder eingefangen waren, wurde das Lager abgebrochen. Wir verließen Cherry Creek um die Mittagsstunde des siebten Tages und überquerten den zugefrorenen Cheyenne River. Dieser Abschnitt des Rittes war den Brüdern und Schwestern gewidmet, die in Gefängnissen ihre Haftstrafen absaßen – ob nun schuldig oder unschuldig. Ich ritt für meinen Vater, dachte viel an ihn. Wie es ihm jetzt wohl ging? Zuletzt hatte er mir geschrieben, dass das Fenster seiner Zelle nicht dicht war und er oft fror. Ich wünschte ihm Gesundheit und Durchhaltevermögen.
    Den ganzen Nachmittag folgten wir dem Lauf des Flusses und erreichten am Abend Bridger, wo man das Gemeindehaus für unser Kommen hergerichtet hatte.
    Als wir ankamen, glich der Platz neben dem flachen Gebäude einem Winterlager, wie es früher ausgesehen haben mochte: Pferde auf der Koppel, mehrere Tipis und riesige Lagerfeuer. Überall vermummte Menschen. Es waren rund hundert Oglala aus Pine Ridge, die hier zu uns stießen, um mit uns gemeinsam am nächsten Tag über den Big-Foot-Pass in den Badlands und dann weiter nach Wounded Knee zu reiten.
    Schüsseln klapperten. Ich hörte die Schläge einer Axt, als jemand Holz für ein Feuer hackte. Fröhliches Gelächter hallte durch die Nacht, und im Hintergrund waren die Pferde zu hören, ihr Hufescharren im Schnee, ihr Grummeln und Wiehern.
    Die Pferde von morgens bis abends um mich zu haben – manchmal auch in der Nacht – war ein wunderbares Gefühl, eines, das mir das Leben meiner Vorfahren näher brachte. Für sie waren Pferde wie Brüder und Schwestern, und so behandelten sie die Tiere auch.
    Für Stormy und mich brachte dieser Ritt eine noch engere Verbundenheit. Ich wusste nun alles von ihr, kannte ihre Launen, ihre Ängste und merkte, wann sie sich über mich lustig machte.
    Stormy und die anderen Pferde waren die wirklichen Helden dieses Rittes. Sie waren es, die uns über die endlos scheinenden Weiten der Prärie trugen, über zugefrorene Flüsse, durch Wind und Schneegestöber, während der Atem in ihren Nüstern zu Eis wurde und eine dünne Eisschicht ihre Körper bedeckte.
    Nachdem ich gegessen hatte, ging ich noch einmal zur Koppel, um nach Stormy zu sehen. Unglaublich, wie viele Pferde dort standen – es mussten über 200 sein. Ich rief nach meiner Stute, und sie kam, gefolgt von Taté, ihrem Beschützer.
    Â»Na ihr beiden, geht es euch gut?«, fragte ich und rieb Stormy das Eis aus der Mähne.
    Sie wieherte dumpf, und ich wusste, dass alles in Ordnung war.
    Die Scheinwerfer eines ankommenden Fahrzeuges erleuchteten die Koppel, und die Pferde liefen davon. Es war ein gespenstisches Bild, die weißen Wolken ihres warmen Pferdeatems, die erhobenen Köpfe mit ihren flatternden Mähnen, die schlagenden Schweife. Ihre Pferdeleiber waren eine lebendige, dampfende Masse.
    Jemand stand hinter mir und hielt mir mit kalten Händen die Augen zu. Ich drehte mich um, und vor mir stand Leo Little Moon. Er strahlte über das ganze Gesicht. Wir umarmten uns.
    Â»Was machst du denn hier?«, fragte ich in der ersten Überraschung.
    Leo lachte, und eine weiße Atemwolke stieg von seinem Mund auf.
    Â»Was alle machen, die hier sind, Tally: reiten. Ich musste bis gestern Abend noch bei meinem Vater im Laden stehen, deshalb konnte ich nicht schon von Anfang an dabei sein. Aber jetzt will ich das

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