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Talitha Running Horse

Talitha Running Horse

Titel: Talitha Running Horse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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Aber nichts dergleichen passierte.
    Wie vom Blitz getroffen stand er da.
    Â»Geh weg, Neil«, sagte ich, als ich meine Sprache wiedergefunden hatte.
    Â»Ich kann nicht.« Er machte eine hilflose Bewegung mit den Händen.
    Â»Was?«
    Â»Ich kann nicht, Tally. Meine Beine gehorchen mir nicht.« Er schluckte. Ich bückte mich nach meinem T-Shirt, drehte mich um und zog es über. Dann nahm ich mein Handtuch und schlang es mir um die nassen Haare, hängte den Waschbeutel über meine Schulter und versuchte, an Neil vorbeizukommen, der sich immer noch nicht von der Stelle gerührt hatte.
    Er hielt mich fest. »Tally«, sagte er. Seine Stimme klang auf einmal fremd und das Schwarz seiner Augen leuchtete noch dunkler als sonst. In seinem Blick lagen Erwartungen und Wünsche, denen ich mich nicht gewachsen fühlte.
    In meinem Nacken begann es zu kribbeln.
    Als Neil merkte, dass ich Angst vor ihm hatte, ließ er mich los und senkte voller Scham den Kopf. Ich lief zurück in die Gemeindehalle, wo Arlo Big Foot gerade sein Gebet beendete, und verkroch mich in meinem Schlafsack.
    In dieser Nacht lagen Männer, Frauen und Kinder dicht an dicht auf dem Linoleumboden des Gemeindezentrums. Es war die erste Nacht, in der nicht Neil neben mir lag, sondern Leo Little Moon. Wir redeten noch eine Weile, aber während ich etwas sagte oder ihm zuhörte, musste ich ständig an Neil denken. Wie er mich angesehen hatte, dort im Waschraum. An den eindringlichen Ton, mit dem er meinen Namen ausgesprochen hatte. Und dieser Blick …
    Ich ahnte, was er bedeutete. In Neil Thunderhawks Augen hatte Begehren gelegen. Etwas, das ich mir schon so lange wünschte. Endlich hatte Neil in mir etwas anderes gesehen als ein Kind, aber ich hatte mich wie eines benommen.

28. Kapitel
    Am nächsten Tag stand uns das schwierigste und längste Stück des Rittes bevor, die Überquerung der Badlands über den Big-Foot-Pass. Während des Frühstücks konnte ich Neil nirgendwo entdecken. Erst als Leo und ich die Pferde von der Koppel holten, sah ich ihn neben Taté stehen. Er gab dem gefleckten Hengst Getreidefutter aus einem Eimer und strich ihm den Raureif aus der Mähne.
    Als unsere Blicke sich trafen, sah er mich hoffnungsvoll an, aber dann entdeckte er Leo neben mir und wandte sich ab.
    Bob White Bull, ein Nachfahre Sitting Bulls, übernahm an diesem Tag die Führung mit einem Staff, an dem mehrere Adlerfedern befestigt waren. White Bull war es, der uns über den steilen Big-Foot-Pass durch die Badlands führen würde, bis nach Quinn, eine kleine Ortschaft, in der wir den 24. Dezember verbringen wollten.
    Es war ein klarer, sonniger Tag, und das Thermometer zeigte 20 Grad unter null. Alle Reiter waren in ihre dicken Daunenjacken gehüllt, und die Mützen und Masken ließen von den Gesichtern nur so viel frei, wie unbedingt nötig war. Es war eine trockene Kälte, die einem die Haut verbrannte, wenn man sich nicht schützte.
    Der Atem der Pferde dampfte in der kalten Luft, das Leder der Sättel knackte. Als der nun knapp 250 vermummte Reiter umfassende Trupp sich in Bewegung setzte, klirrte der gefrorene Boden unter den Pferdehufen.
    Meine Lunge füllte sich mit Schneeluft, und jeder Atemzug brannte in meiner Kehle.
    Im Winter, von Schnee bedeckt, sahen die Badlands noch faltiger und menschenfeindlicher aus als sonst. Ein eisiges, gespenstisches Schweigen lag über der Landschaft, das jeden von uns erfasste und ebenso schweigen ließ.
    Bob White Bull ritt voran, den Gebetsstab in der rechten Hand. Es ging steil bergab, aber White Bulls schwarzer Wallach, dessen Fell jetzt grau war von Raureif, schien den Weg gut zu kennen. Die anderen vier Staffträger, danach alle übrigen Reiter, folgten ihm nach. Auf einen Erwachsenen folgten immer ein oder zwei Kinder. Es war erstaunlich, wie die Pferde den schwierigen Pass meisterten. Beinahe am Ende der Formation begann auch für Stormy und mich der Abstieg durch die Badlands.
    Ich reihte mich mit der Stute hinter Leo und seinen braunen Wallach ein. Als ich hinter mich blickte, sah ich Neil Thunderhawk auf seinem Leopardenschecken und nach ihm noch sieben weitere Reiter.
    Leo ritt vor mir und Neil hinter mir. Ich spürte seine Blicke in meinem Rücken, dass mir heiß wurde, trotz der Minusgrade. Leos Wallach stieg in ruhigem Gang den Pass nach unten. Ich merkte, dass Stormy der steile Pfad unheimlich war, denn

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