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Talitha Running Horse

Talitha Running Horse

Titel: Talitha Running Horse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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einfach sein für mich?
    Die meisten anderen verbrachten den Tag mit Handspielen, Geschichten erzählen und schlafen. Einige wuschen ihre Wäsche, andere flickten ihre Kleidung. Die Pferde wurden gebürstet, ihre Hufe eingefettet. Tom richtete Neil und mir Grüße von Della und den Mädchen aus, er hatte sie angerufen und gesagt, dass es uns gut ging. Della freute sich auf unsere Rückkehr.
    Heute war der 26. Dezember. In drei Tagen würden wir den Hügel von Wounded Knee erreichen, wo unser Ritt endete. Wenn ich daran dachte, machte sich ein Anflug von Panik in mir breit. Die Tage, die ich über eine so lange Zeit herbeigesehnt hatte, waren wie im Fluge vergangen. Jeder Moment war so intensiv gewesen, dass all die Sorgen, Probleme und Ängste, die mich sonst fest im Griff hatten, in den Hintergrund getreten waren. Nur das Hier und Jetzt zählte. Was wir taten und warum wir es taten.
    Es ging darum, unsere Vorfahren nicht zu vergessen. In den letzten Tagen war mir bewusst geworden, wie eng ihr Schicksal mit unserer Zukunft verbunden war. Ich hatte begriffen, warum Dinge, die vor mehr als hundert Jahren passiert waren, noch so stark eine Rolle spielten in unserem Leben. Alles war miteinander verwoben, unlösbar. Für uns bedeutete das, einen neuen Anfang finden zu müssen.
    Der Tag verging schnell. Ich hatte ihn mit Neil verbracht, an dessen Anblick mit offenen Haaren ich mich erst noch gewöhnen musste. Er sah schmaler aus und älter, wenn das glatte Haar sein Gesicht rahmte.
    Wir küssten uns immer wieder, lachten und flüsterten. Auf einmal gab es so viel zu erzählen, so viele Gefühle auszudrücken, für die es keine Worte zu geben schien. Manchmal benutzten wir unsere alte Sprache, weil es auf Lakota besser funktionierte.
    Mein Knie pochte immer noch bei jedem Schritt, aber es tat schon bedeutend weniger weh als am Tag zuvor.
    Als es Zeit war, schlafen zu gehen, führte Neil mich in die große Turnhalle des Gymnasiums. Hier schliefen nur wenige, weil es in den Klassenräumen wärmer war. Neil hatte weit abseits von den anderen einen Schlafplatz für uns gefunden, auf einer weichen Turnmatte, verborgen hinter einer Kiste mit Bällen.
    Ich wusste sofort, warum Neil diese abgelegene Ecke für uns als Schlafplatz ausgesucht hatte, und ahnte, was er von mir erwartete. Den ganzen Tag war ich unbeschwert mit ihm zusammen gewesen, doch nun war ich auf einmal befangen. Im Licht einer Laterne, das durch die großen Turnhallenfenster fiel, sah ich Neils Augen vor Erwartung leuchten, und mein Herz flatterte wie ein Vogel.
    Er breitete seinen Schlafsack über uns beide, dann zog er mich zu sich heran und küsste mich. Ich spürte seine Zunge in meinem Mund und seine Hand schlüpfte unter mein T-Shirt.
    Ich zog meinen Kopf zurück. »Neil«, flüsterte ich, »ich weiß nicht …« In diesem Augenblick sah ich meine beste Freundin Adena vor mir, die in ein paar Monaten Mutter sein würde.
    Â»Vertraust du mir nicht?«, fragte er. Die weißen Zähne blitzten in seinem dunklen Gesicht
    Â»Doch, aber …«
    Â»Du musst an Adena denken, nicht wahr?«
    Â»Ja«, flüsterte ich. Konnte Neil Thunderhawk Gedanken lesen?
    Â»Ich möchte mit dir zusammen sein, Tally«, sagte Neil. »Ich will es so sehr, dass ich nicht mehr weiß, was ich machen soll. Ich dachte, du willst es auch.«
    Mein Magen zog sich zusammen, und in meinem Nacken begann es zu kribbeln. Konnte es sein, dass man etwas so sehr wollte, dass man es wochenlang herbeisehnte – und am Ende doch Angst davor hatte? Ich hatte einfach nicht damit gerechnet, dass es so schnell passieren könnte.
    Â»Willst du mal Kinder haben?«, fragte ich und atmete den Geruch seiner frisch gewaschenen Haare dicht neben meinem Gesicht.
    Neil seufzte leise. »Natürlich will ich mal Kinder haben, Tally. Aber jetzt noch nicht.«
    Er hatte auf einmal etwas in der Hand, ein kleines Tütchen, das knisterte. »Was hast du dir bloß gedacht, Braveheart?«
    Alles. Alles und nichts.
    Â»Vertrau mir, Tally«, flüsterte Neil, seinen Mund an meinem Ohr. »Ich verspreche dir, nichts zu tun, das du nicht auch willst.« Dann schwieg er und sprach mit seinen Händen weiter. Ich fühlte eine wohlige, fließende Wärme, die durch meinen ganzen Körper kreiste.
    Neil zog sein Hemd über den Kopf und mit einer Selbstverständlichkeit, die mich

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