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Talitha Running Horse

Talitha Running Horse

Titel: Talitha Running Horse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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einem Mann mit Pferdeschwanz angehalten, der fragte: »Bist du das Mädchen, das mit seinem Pferd gestürzt ist?«
    Ich nickte.
    Â»Hast du schlimme Schmerzen in deinem Bein?« »Das Knie tut ein bisschen weh«, sagte ich.
    Â»Ein bisschen?«, wiederholte er stirnrunzelnd. »Sieht so aus, als könntest du nicht alleine laufen.«
    Â»Es geht schon«, sagte ich und wunderte mich über die Fürsorge des Mannes.
    Â»Ich heiße Mark Blue Bird und bin Arzt«, sagte der Fremde. »Ein junger Mann mit Zöpfen ist vorhin zu mir gekommen und hat mir von deinem Sturz erzählt. Er hat mich gebeten, mir dein Knie mal anzusehen.«
    Neil, dachte ich und wollte protestieren. Aber Leo schob mich schon weiter, dem Arzt mit dem Pferdeschwanz hinterher. Blue Bird sprach kurz mit jemandem von der Gemeinde, dann führte er Leo und mich in ein kleines Büro und schloss die Tür.
    Â»Na dann«, sagte der Arzt und nickte mir aufmunternd zu.
    Ich öffnete den Mund, weil ich versuchen wollte, mich doch noch zu drücken, aber Leo sagte: »Nun hab dich nicht so, Tally. Runter mit der Hose!«
    Ich musste mich erst aus meiner dicken Daunenjacke pellen und dann aus der gefütterten Latzhose, die Della mir genäht hatte. Darunter trug ich meine schwarzen Leggins.
    Es war mir unangenehm, mich vor den beiden Männern auszuziehen. Aber mir blieb gar nichts anderes übrig. Ich schob die Leggins von den Hüften und streckte Dr. Blue Bird mein linkes Bein entgegen. Dabei erschrak ich selbst. Das Knie war geschwollen und mein Bein an mehreren Stellen blau.
    Dr. Blue Bird hatte kräftige Hände, aber als er mein Bein und schließlich das Knie abtastete, war er sehr vorsichtig. Ich merkte sofort, dass er etwas von dem verstand, was er da tat. Trotzdem zuckte ich zusammen, als er mit dem Daumen gegen die Kniescheibe drückte. Ich hatte Angst, dass der Arzt mir das Weiterreiten verbieten würde. So kurz vor dem Ziel. Das durfte nicht sein.
    Dr. Blue Bird bewegte mein Kniegelenk, und ich biss die Zähne zusammen. Dann setzte er meinen Fuß auf den Boden und erhob sich.
    Â»Es ist nur geprellt«, sagte er schließlich. »Die dick gefütterte Hose hat wahrscheinlich Schlimmeres verhindert.«
    Â»Ich darf also weiterreiten?«, fragte ich.
    Â»Das musst du wissen«, sagte Blue Bird. »Ich nehme an, es tut sehr weh, und das wird auch noch eine Weile so bleiben.«
    Â»Ich werde es aushalten.«
    Er nickte lächelnd. »Ich habe eine Salbe gegen die Schwellung im Auto. Bin in fünf Minuten wieder da.«
    Dr. Blue Bird verschwand, um die Salbe zu holen, und ließ mich mit Leo Little Moon allein im Büro zurück. Eine verlegene Stille entstand. Bis Leo sagte: »Zum Glück ist nichts Schlimmes passiert. Dir nicht und deiner Stute auch nicht.«
    Â»Ja.« Ich seufzte. »Wenn Stormy sich ein Bein gebrochen hätte, hätte ich mir das nie verzeihen können. Neil hat Recht«, bemerkte ich zerknirscht. »Ich hätte die vereiste Stelle sehen müssen. Ich hätte vorsichtiger sein müssen.«
    Leo schüttelte den Kopf. »Mach dir keine Vorwürfe, Tally. Man kann nicht immer auf alles gefasst sein. Solche Dinge passieren eben.«
    Ich rief mir den Augenblick vor dem Sturz ins Gedächtnis und sagte: »Es war merkwürdig, aber ich hatte das Gefühl, die Geister der Toten würden dort durch die Badlands irren.«
    Â»Sie waren da, Tally«, sagte Leo bestimmt. »Aber sie irren nicht herum, sie sind dort zu Hause. Die Geister freuen sich, wenn wir kommen. Dann sind sie nicht mehr so allein.«
    Dr. Blue Bird kam zurück. Er rieb mein Knie mit einer stinkenden Salbe ein und legte einen leichten Verband an. »Nicht mehr so viel herumlaufen heute«, sagte er. »Am besten du setzt dich in eine Ecke und legst das Bein hoch.«
    Ich bedankte mich bei ihm, und er ging, um sich um andere zu kümmern, die seine Hilfe brauchten.
    Leo wartete geduldig, bis ich meine Hosen wieder hochgezogen hatte, dann humpelte ich an seiner Seite in den Gemeinderaum zurück. Jedes Mal, wenn ich mein linkes Bein aufsetzte, jagte ein Stich vom Knie bis in mein Hirn. Aber ich ballte den Schmerz zusammen zu einer faustgroßen Kugel, umschloss ihn fest mit meinem Willen und ließ keinen Laut über meine Lippen kommen.
    Neil stand dicht neben einem mit elektrischen Kerzen geschmückten Weihnachtsbaum, als wir in die Halle

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