Talitha Running Horse
selbst verwunderte, strichen meine Hände über seine warme, glatte Haut, berührten sein langes Haar, das auf mich herabfiel wie ein Vorhang aus schwarzer Seide.
Er fasste nach meinen Hüften, zupfte mein T-Shirt aus den Leggins und schob es nach oben. Seine Hand zitterte wie Espenlaub. Sollte Neil auch Angst haben? Er, der sonst vor gar nichts Angst hatte?
Neils Hand wanderte über meinen Körper und ich lieà ihn gewähren. Es war schön, ihn so nah zu spüren. Sein ganzes Wesen durchdrang mich, seine Küsse waren Schwindel erregend. Und schon bald wusste ich nicht mehr, wo ich anfing und er aufhörte.
Am nächsten Morgen erwachte ich davon, wie Neil meinen nackten Arm streichelte. Ich wollte Neil auch berühren, aber meine Hände waren noch nicht wach. Für mich war es ungewohnt, so dicht an einem anderen Menschen zu liegen. Neil hatte mich im Schlaf fest umschlungen, als ob er fürchtete mich zu verlieren, wenn er mich nicht festhielt. Dabei hatte ich so unglücklich gelegen, dass mir beide Arme eingeschlafen waren.
Ich musterte Neils Gesicht, die helle Narbe auf seinem linken Wangenknochen, seine dichten Augenbrauen, die schwarzen Augen. Er lag auf der Seite, den Kopf auf den ausgestreckten rechten Arm gelegt, und lächelte mich an. »Guten Morgen, Braveheart«, sagte er.
»Hast du gut geschlafen?«
»Ja«, sagte ich, während ich daran dachte, dass ich nun nicht mehr dieselbe war wie gestern noch.
»Ich habe nicht gewusst, dass es so sein kann«, sagte Neil, als hätte er meine Gedanken erraten.
»Wie denn?«, fragte ich mit rauer Stimme.
Ich sah, wie er überlegte und nach Worten suchte, die seine Gefühle am besten ausdrücken würden. »Alles war richtig«, sagte er schlieÃlich feierlich.
»War es mit Suzy nicht richtig?«, fragte ich.
Ich fürchtete, Neil war entsetzt, dass ich ihm in diesem Moment eine derartige Frage stellen konnte, und ich wusste auf einmal auch nicht mehr, warum sie mir entschlüpft war. Worte waren so schnell â wie Pfeile. Einmal abgeschossen, konnte man sie nicht mehr zurückholen.
Er setzte sich auf, dachte eine Weile nach und sagte schlieÃlich: »Suzy Eagle Bear ist ein Mädchen, das es gewohnt ist, zu bekommen was es will: ein Appaloosapferd, ein eigenes Auto, Neil Thunderhawk. Aber das habe ich erst nach einiger Zeit begriffen. Ich war neugierig und unerfahren, und ich dachte, dass du mit Leo Little Moon zusammen bist. Nein, Tally. Als ich mit Suzy geschlafen habe, war gar nichts richtig.«
Er begann sich anzuziehen, und ich fror.
»Warte noch einen Augenblick«, sagte ich, als er aufstehen wollte. Neil drehte sich zu mir um und sah mich fragend an.
»Ich wollte es wissen und bin froh, dass du mir die Wahrheit über dich und Suzy gesagt hast. Ich werde dich nie wieder nach ihr fragen.«
Sein Blick bekam etwas Zärtliches, als er sich zu mir beugte und mich küsste. »Ich liebe dich, Braveheart«, sagte er. »Und sollte es jemals anders sein, dann werde ich es dir sagen. Aber nun zieh dich an, die anderen sind alle schon auf den Beinen.«
30. Kapitel
An diesem Vormittag überschritten wir mit unseren Pferden die Reservatsgrenze. Kräftiger Wind trieb von Norden dunkle Wolken vor sich her, und schon bald fing es an zu schneien.
Mein anderes Leben, in das ich bald zurückkehren würde, rückte zusehends näher. Das dunkle Kellerzimmer in Tante Charlenes Haus. Die Besuche bei Marlin, meinem reglosen Cousin im Krankenhaus in Rapid City. Die Sehnsucht nach meinem Dad, der mir so furchtbar fehlte, dass es manchmal wehtat. Und Adena, von der ich so sehr hoffte, dass es ihr gut ging.
Ich würde zurückkehren in mein Leben, aber nichts würde mehr sein wie zuvor. Weil ich eine andere geworden war auf diesem Ritt. Auf dieser Reise durch die drei Lakota-Reservate hatte ich ein Gefühl von Gemeinschaft erfahren, das ich nicht für möglich gehalten hätte.
Ich hatte auf Stormys Rücken eisigen Wind, Schneegestöber und bitteren Frost ertragen. Die Geister meiner Ahnen waren mir begegnet. Stormy und ich waren gestürzt und wieder aufgestanden. Ich hatte den Schmerz in meinem Knie mit meinem Willen bezwungen.
Aber es war nicht nur das.
Neils Liebe war endlich zur Gewissheit geworden. Ein leuchtend warmer Strahl, der in die Zukunft reichte.
Zwei Tage später, am 29. Dezember erreichten wir gegen Mittag den Hügel
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