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Talitha Running Horse

Talitha Running Horse

Titel: Talitha Running Horse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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Steinen, Zweigen und Abfällen.
    Â»Geh und frag, ob sie Hilfe brauchen«, sagte mein Vater.
    Ich gesellte mich zu den Frauen, und Dad half den Männern beim Aufstellen der Klohäuschen. Als es für mich nichts mehr zu tun gab, fragte ich meinen Vater, ob ich mir ein wenig die Gegend ansehen dürfe.
    Dad nickte. »Geh nur«, sagte er. »Wenn du mich hier auf dem Platz nicht findest, bin ich unten im Camp.«
    Ich lief los. Zuerst am Rand des Hells Canyon entlang, über graue Felsen, die mit verschiedenfarbigen Moosen bewachsen waren. Irgendwann kam ich an einen Felsvorsprung und wagte mich bis an den Rand, von wo aus ich gut in den Canyon hineinblicken konnte. Im Tal erstreckte sich eine weite grüne Ebene, begrenzt vom Cheyenne River und den hinter ihm aufsteigenden Felsen.
    Als ich meinen Blick nach rechts richtete, entdeckte ich eine Reihe kleiner dunkler Blockhäuser. Dad hatte mir erzählt, dass im Hells Canyon manchmal Filme gedreht wurden, und ich nahm an, dass die Hütten als Filmkulisse gedient hatten. In unserem Trailer hatten wir keinen Fernseher gehabt, aber zwei- oder dreimal im Jahr fuhr Dad mit mir nach Rapid City ins Kino. Es war komisch, sich Filme anzusehen, die über das Leben der Indianer erzählten und die doch so wenig mit unserem wirklichen Leben gemein hatten. Das wahre Leben fand im Reservat statt, in den klapprigen Trailern ohne Wasser, in den Armenküchen, auf dem Powwow-Platz.
    Ich verließ den Felsrand und lief in den Wald aus Kiefern und Birken. Da wuchsen Pflanzen, die es im Reservat nicht gab. Violette und weiße Orchideen und feinblättrige, hellgrüne Farne. Der Boden war nicht so vertrocknet, denn hier, in den Bergen, regnete es öfter als im Reservat, und alles wuchs und grünte viel üppiger.
    Ein leises Wiehern schreckte mich aus meinen Gedanken. Überrascht horchte ich auf. Sollten die Pferde tatsächlich hier oben sein, so nah am Sonnentanzplatz? Ich spähte durch die Bäume und Sträucher des Waldes und entdeckte eine Stute mit ihrem Fohlen. Vorsichtig ging ich näher heran. Die Stute war fast weiß, mit einem dunklen Hinterteil, schwarzen Beinen und schwarzer Mähne. Sie hatte weiße Wimpern, was sehr ungewöhnlich aussah. Das Fohlen lag am Boden. Es war von einem schönen Graubraun und hatte eine Blesse auf der Stirn, die sich bis zu den Nüstern zog.
    Die beiden schienen überhaupt keine Angst vor mir zu haben. Ich ging noch ein Stück näher an das Fohlen heran, da stand es auf und folgte seiner Mutter. Langsam lief ich den beiden nach. Nach ein paar Schritten kam ich auf eine große Lichtung – und mochte meinen Augen nicht trauen: Da stand eine riesige Herde von Pferden. Es mussten über hundert Tiere sein.
    Ich war völlig überwältigt von diesem Anblick und wagte kaum zu atmen, aus Angst, die Herde würde davonlaufen, wenn sie mich erst entdeckte. Schließlich fasste ich mir doch ein Herz und lief auf die Lichtung.
    Einige der Tiere hoben ihre Köpfe und sahen mich an. Ich redete mit ihnen und mein Erscheinen beunruhigte sie kaum. So konnte ich mitten durch die grasende Herde laufen. Mein Herz klopfte laut vor Aufregung. Da hörte ich das Wiehern eines Hengstes. Die Herde setzte sich in Bewegung. Fohlen standen auf und folgten ihren Müttern. Zuerst liefen die Pferde langsam, dann immer schneller und jagten schließlich mit wehenden Mähnen davon. Das dumpfe Trommeln ihrer Hufe klang wie Gewittergrollen.
    Als ich später auf den Sonnentanzplatz zurückkehrte, konnte ich meinen Vater nicht finden, also machte ich mich auf den Weg hinunter ins Camp. Es war schon Abend, und bald würde es dunkel werden. Nach ein paar hundert Metern hörte ich einen Wagen hinter mir und trat zur Seite, um ihn vorbeizulassen. Der zerbeulte weiße Jeep hielt neben mir. Hinter dem Steuer saß Leo Little Moon.
    Â»Willst du runter ins Camp?«, fragte er.
    Ich nickte und stieg ein. Leo kannte meinen Vater gut, deshalb wusste er, dass unser Trailer abgebrannt war und dass wir bei Charlene wohnten. Ich erzählte ihm, wie schlimm die Situation für mich war.
    Â»Deine Tante ist eine unglückliche Frau«, sagte er. »Und dein Cousin hat sich mit gefährlichen Leuten eingelassen.«
    Â»Was weißt du denn davon?« Verwundert sah ich ihn an.
    Â»Ich habe Augen im Kopf«, erwiderte Leo, »und zuhören kann ich auch. Deine Tante kauft oft bei uns ein oder

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