Talitha Running Horse
kommt in den Waschsalon. Sie redet viel.«
»Zu Hause sagt sie kaum etwas«, bemerkte ich.
»Na ja«, er lachte, »sei froh. Sie erzählt nämlich eine Menge Unsinn. Sie glaubt, der weiÃe Christengott kann uns allen Erlösung bringen.« Er warf mir einen kurzen Seitenblick zu. »Ich nehme an, sie hält nicht viel davon, dass du mit deinem Vater zum Sonnentanz gefahren bist.«
»Stimmt«, sagte ich, und dann mussten wir beide lachen.
Leo hatte eine nette Art, und es gefiel mir, wie er mit mir redete. Er bemitleidete mich nicht.
Als wir zurück ins Camp kamen, standen zwei weitere Tipis und vier neue Zelte. Ein Feuer brannte, darüber köchelte Suppe in einem groÃen Topf. Im Küchenzelt wurden Fry Bread * und Wassermelone ausgeteilt.
Ich suchte nach Adena und ihren Eltern, aber sie waren immer noch nicht da. Der Gedanke, dass sie am nächsten Tag mit Sicherheit im Camp auftauchen würden, tröstete mich jedoch ein wenig.
Den Abend verbrachten alle gemeinsam an einem groÃen Lagerfeuer. Der alte White Elk erzählte Geschichten über den Hells Canyon, über unsere Vorfahren, die hier gelebt hatten. Noch weit nach Mitternacht, als ich schon längst im Zelt in meinem Schlafsack lag, hörte ich die Stimmen und das Gelächter der anderen.
Am nächsten Morgen gingen die Arbeiten im Camp und auf dem Sonnentanzplatz weiter. Immer mehr Leute kamen und bauten Zelte auf. Essen und Wasservorräte wurden herangebracht. Das Camp wuchs zu einem richtigen Sommerlager, und ich bekam eine Vorstellung davon, wie es früher gewesen sein musste, als wir Lakota noch in Tipis lebten und den groÃen Büffelherden hinterherzogen.
GroÃvater Emmet hatte mir oft von den alten Zeiten erzählt, Geschichten, die er von seiner GroÃmutter kannte. Es war kein einfaches Leben gewesen, wirklich nicht. Aber ich stellte es mir wunderbar vor, und ich hätte es sofort gegen das Leben im Reservat eingetauscht. Ohne einen Augenblick zu zögern.
Als Adena am Nachmittag immer noch nicht aufgetaucht war, fasste ich mir schlieÃlich ein Herz und ging zum alten Bernhard White Elk, um ihn nach seiner Enkelin zu fragen.
»Charlie hat mich gerade auf dem Handy angerufen«, sagte er, »sein Van ist kaputt. Er kommt später mit dem Pick-up.«
»Und Adena?«, stammelte ich. In den Pick-up-Truck passten bloà drei Leute und auÃerhalb des Reservats durfte auch niemand auf der Ladefläche sitzen.
»Von Adena hat er nichts gesagt. Ich weià nicht, ob sie mitkommt.« Mit hängendem Kopf stolperte ich davon. Wie sehr hatte ich mich auf Adena gefreut, darauf, mit ihr in einem Zelt zu schlafen, wenn unsere Väter mit den anderen Sonnentänzern in den Tipis beim Arbor nächtigten.
Ich vermisste Adena. Ich sehnte mich nach ihrem Lachen und sogar nach ihren Unkenrufen. Warum musste ausgerechnet heute der Van der White Elks kaputtgehen? Warum, warum, warum?
So niedergeschlagen fand mich Leo Little Moon.
»Hey«, sagte er.
Weil auÃer mir niemand dastand, war vermutlich ich gemeint.
»Was ist denn los? Du siehst aus wie ein trauriger Vogel und nicht wie ein rennendes Pferd.«
»Meine Freundin Adena kann vielleicht nicht mitkommen, weil das Auto ihres Vaters kaputt ist«, erzählte ich ihm. »Seit ich bei Charlene wohne, können wir uns nur noch selten sehen, und ich hatte mich so auf die Zeit mit ihr gefreut.«
»Vielleicht kommt sie ja doch.«
»Vielleicht aber auch nicht«, sagte ich traurig.
»Dann brauchst du dringend Ablenkung«, stellte Leo fest. »Ich habe eine lange Einkaufsliste und könnte jemanden brauchen, der mir hilft. Kommst du mit nach Hot Springs?«
»Ich muss erst meinen Dad fragen«, sagte ich mit wenig Begeisterung.
»Dann tu das.«
Mein Vater hatte nichts dagegen, dass ich Leo in die Stadt begleitete. Also stiegen wir in seinen alten Jeep und fuhren los. Nach einer Meile entdeckte ich die Pferdeherde, und Leo stellte für einen Augenblick den Motor aus, damit wir die Tiere beobachten konnten.
»Ein herrlicher Ort, nicht wahr?«, sagte er.
»Ja«, erwiderte ich. »Ich wünschte, ich könnte für immer hier bleiben.«
Keine Ahnung, warum, aber ich öffnete Leo Little Moon mein Herz und erzählte ihm von meinem Alltag im Haus von Tante Charlene und wie traurig mein Leben aussehen würde, wenn ich Stormy nicht hätte, die
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