Talitha Running Horse
so bedrückt herum.
»Du musst es mir sagen, Dad.«
»Ja, ich weiÃ, Braveheart.«
Er erzählte mir, dass während des Sonnentanzes Wakan Tanka ihm zur Einsicht verholfen hatte. »Ich habe begriffen, dass nichts ohne Grund geschieht und dass ich nach der Lehre suchen muss, die in den Ereignissen enthalten ist. Ich weià jetzt, Tally, dass Weggehen und Wiederkommen besser ist als Bleiben.« Dad nahm mich in die Arme. »Es ist für uns beide unerträglich, in diesem Kellerzimmer zu hausen«, sagte er. »Ich dachte, ich würde eine Lösung finden, aber bald kommt der Herbst, und im Winter gibt es keine Arbeit für mich im Reservat. Was wir an Sozialhilfe bekommen, reicht nicht zum Leben. Es wird nicht besser, Tally. Nicht auf diese Weise.«
»Du willst weggehen?« Tränen stiegen mir in die Augen. Er hatte mir doch versprochen, dass er mich nie allein lassen würde.
»Ich muss, Braveheart. Ich werde nach Kalifornien gehen, dort finde ich mit Sicherheit einen Job. Ich werde jeden Tag viele Stunden arbeiten, so lange, bis ich das Geld für ein Haus zusammenhabe. Dann komme ich wieder. Ich hoffe, es wird nicht für lange sein.« Dads Stimme klang fremd und seine Worte schienen aus weiter Ferne zu kommen.
»Aber â¦Â«Ich schluckte.
»Ich weiÃ. Ich weiÃ, dass Charlene und Marlin furchtbar sind, und es bricht mir das Herz, dich bei ihnen zurücklassen zu müssen. Aber es geht nicht anders, Tally. Ich muss versuchen woanders Arbeit zu finden, sonst kommen wir nie aus diesem Keller heraus.«
Das musste ich einsehen. Ich versuchte tapfer zu sein und meinem Vater die Entscheidung nicht noch schwerer zu machen.
»Wann wirst du gehen?«, fragte ich und sah ihn an.
»Nach deinem Geburtstag. Je eher ich weg bin, umso schneller bin ich wieder da.«
Mein Magen krampfte sich zusammen. Das war schon in drei Tagen.
»Du wirst das schaffen, Tally, weil du stark bist. Ich werde mit Tom und Della reden, dass sie ein Auge auf dich haben. Wenn du Probleme mit Tante Charlene hast, dann wende dich an sie. Ich werde dich natürlich so oft wie möglich anrufen.«
Ich nickte geistesabwesend. Keine Ahnung, wie ich ohne meinen Vater auskommen sollte. Er war immer da gewesen, solange ich denken konnte. Mit wem sollte ich reden, wenn er hunderte Meilen weit weg war? Wer würde meine Fragen beantworten? Wer würde mich umarmen, wenn ich traurig war?
Mein 15. Geburtstag kam heran, und am Nachmittag besuchte uns Adena mit ihren Eltern und ihrem Bruder, um mir zu gratulieren. Adena hatte mir ein Zeichenset mitgebracht, das ihr Mrs Hunter, meine ehemalige Zeichenlehrerin aus der Porcupine-Schule, für mich mitgegeben hatte.
Tatsächlich hatte ich den zweiten Preis in diesem Wettbewerb gewonnen, zu dem Mrs Hunter meine Zeichnungen von Stormy eingereicht hatte. Nun besaà ich verschiedene Bleistifte, harte und weiche, Zeichenkohle, Tusche und Federn. Ich freute mich riesig.
»Wie ist die Manderson High?«, fragte Adena, als wir im Kellerzimmer allein waren.
»Ganz okay.«
»Kommst du zurecht?«
»Du fehlst mir«, antwortete ich.
»Du mir auch, Tally.« Adena hatte Tränen in den Augen. Ich nahm sie in die Arme.
»Randee hat eine Neue«, offenbarte sie mir.
»Neil küsst Suzy«, sagte ich daraufhin.
Einen Moment lang sah es so aus, als würden wir beide jeden Augenblick in Tränen ausbrechen, aber dann hielten wir uns an den Händen und lachten. Ich hatte Adena nicht verloren, nur weil ich sie nicht mehr jeden Tag sehen konnte.
Wir setzten uns auf mein Bett, und während Adena mir Randees Nachteile aufzählte, widersprach sie sich mit jeder Bewegung, jeder Geste. Ich wusste nur zu gut, wie sie sich fühlte. Wir einigten uns darauf, dass es besser war, sich nicht zu verlieben â¦
Später erzählte ich Adena von Lisa, die in der Schule neben mir saÃ. »Wirst du dir eine neue Freundin suchen?«, fragte sie.
»Nein«, erwiderte ich. »Und du?«
»Niemals.«
Am nächsten Tag verbrachte ich die Hofpause eingeschlossen auf der Mädchentoilette. Ich dachte nur an Dad. Ich wollte ihn wiederhaben.
Nach der Schule erledigte ich meine Hausaufgaben und schlich mich aus dem Haus, ehe Tante Charlene mir irgendwelche Aufträge erteilen konnte. Nun hatte ich nur noch Stormy. Stormy, die sich geduldig von mir umarmen lieÃ.
Ich erzählte ihr, dass mein Vater nach
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