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Talitha Running Horse

Talitha Running Horse

Titel: Talitha Running Horse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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nicht«, behauptete ich. »Sie wissen nicht, dass sie nicht frei sind.«
    Â»Sei dir da mal nicht so sicher«, erwiderte Neil, legte sich zurück ins Gras und stützte sich auf die Ellenbogen. »Sie haben das Gedächtnis ihrer Ahnen geerbt. In ihnen stecken die Gene der Urpferde, die vor tausenden von Jahren in Amerika gelebt haben. Man hat herausgefunden, dass unsere Vorfahren sie gejagt und verspeist haben. Dann sind sie verschwunden.«
    Â»Warum erzählst du mir das?«, fragte ich.
    Â»Weil es die Wahrheit ist, Tally Running Horse. Weil du eine Träumerin bist.« Er erhob sich, klopfte den Staub von seinen Jeans und ging zurück zum Arbor. Ich blieb noch eine Weile allein zwischen den Salbeisträuchern sitzen.
    Am nächsten Morgen waren wir wieder früh auf den Beinen, um rechtzeitig beim Einzug der Tänzer auf dem Platz zu sein. Heute würden die ersten, die sich dazu entschlossen hatten, ein Fleischopfer zu bringen, am Sonnentanzbaum hängen oder die Büffelschädel ziehen. Keiner der Tänzer war dazu gezwungen, es war die Entscheidung eines jeden einzelnen.
    Als ich meinen Vater sah und Leo, entdeckte ich in ihren Augen eine merkwürdige Entschlossenheit, und da wusste ich, dass sie beide am Piercing teilnehmen würden.
    Jetzt breiteten der alte White Elk und sein Sohn Charlie das große Büffelfell aus, das neben dem Sonnentanzbaum lag. Der Gesang wurde lauter. Mein Vater löste sich aus der Reihe der Tänzer und legte sich auf das Büffelfell. Auf seinem Rücken leuchteten zwei rote Farbkreise.
    Mein Herz klopfte wild. Dad hatte sich offenbar entschlossen, die Büffelschädel zu ziehen. Der Medizinmann und Adenas Vater knieten neben meinem Dad nieder und zogen ihm dort, wo sein Rücken rot markiert war, zwei Holzsplinte durch die Haut. Die Männer trugen Gummihandschuhe und benutzten ein Skalpell, das war seit einigen Jahren Vorschrift.
    Alles ging sehr schnell, und ehe ich mich versah, war mein Vater wieder auf den Beinen. Die Büffelschädel wurden mit Lederseilen an die Holzsplinte in seinem Rücken geknüpft. White Elk beräucherte Dad mit Salbei. Die Menge spornte ihn mit Rufen und lautem Trällern an, dann ließen ihn die Männer los. Er stemmte sich nach vorn, die Seile strafften sich und so lief mein Vater im Kreis, die vier Büffelschädel an seiner Haut hinter sich herziehend.
    Ich wünschte ihm, dass es schnell gehen möge, obwohl ich doch wusste, dass er Zeit brauchte, um Zwiesprache mit Wakan Tanka und Tunkashila,dem Heiligen Großvater, zu halten.
    Als Dad dicht an mir vorüberkam, sah ich die Schweißbäche, die von seiner Stirn flossen. Er sah mich nicht, denn seine Augen waren fast geschlossen. Den Blick hatte er vollkommen nach innen gerichtet. Ganz deutlich spürte ich seine große Liebe, die bereit war, ein Opfer zu bringen, und den Wunsch, anderen mit diesem Opfer zu helfen. Mein Vater, das wurde mir in diesem Augenblick klar, zog die Büffelschädel auch für mich.
    Eine ganze Runde war er nun schon im Arbor gelaufen. Manchmal riss die Haut eines Tänzers lange nicht. Auch nach der zweiten Runde zog Dad die schweren Schädel immer noch hinter sich her. Wenn seine Haut nicht riss, würden sich Kinder auf die Büffelschädel setzen, damit sie schwerer wurden.
    Aber plötzlich ging ein erleichterter Aufschrei durch die Menge, der aus einer Kehle zu kommen schien. Die Haut war gerissen, mein Vater war frei. Bernhard White Elk und sein Sohn Charlie hoben die Hände meines Vaters in die Höhe. Die blutenden Wunden in seinem Rücken wurden mit Salbei abgerieben, dann reihte er sich wieder in die Gruppe der Tänzer.
    Wenig später begann das Piercing für all jene, die beschlossen hatten, mit ihrer Haut am Sonnentanzbaum zu hängen. Mein Vater war wieder dabei und diesmal auch Tom Thunderhawk und Leo Little Moon. Ich sah auch einen weißen Mann mit blondem kurzem Haar, dessen helle Haut verbrannt war von der Sonne. Und fragte mich, was ihn bewegte, Schmerzen auf sich zu nehmen für etwas, das nicht einmal seiner Kultur entstammte.
    Â»Wer ist denn das?«, fragte ich Neil, der neben mir stand.
    Er beugte seinen Kopf zu mir herüber. »Das ist Arnold Colder, ein Rechtsanwalt aus Kalifornien. Er ist schon zum dritten Mal dabei. Er vertritt Indianer vor Gericht, ohne Honorar zu verlangen.«
    Â»Dass er hilft, finde ich gut«, sagte ich. »Aber

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