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Talitha Running Horse

Talitha Running Horse

Titel: Talitha Running Horse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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rennen durfte, pulsierte durch meinen Körper. Meine Haare, die langsam wieder länger wurden, flogen wie Stormys Mähne im warmen Wind. Ich lebte meinen Traum. Einen, den ich so viele Jahre hindurch geträumt hatte. Doch nun, da er endlich in Erfüllung ging, war ich längst von anderen, von neuen Träumen erfüllt,
    Ich zog die Knie ein Stück nach oben, lehnte mich leicht zurück, wobei sich die Zügel ganz automatisch ein wenig strafften. Die Stute verlangsamte sofort das Tempo. Sie wusste, was ich wollte, noch ehe ich etwas sagte oder sie einen Widerstand auf der Trense in ihrem Maul spürte. Auf dem Weg zum See ließ ich Stormy in leichtem Galopp laufen.
    Das Wasser war nicht mehr so warm wie noch vor zwei Wochen, weil die Nächte jetzt manchmal schon empfindlich kalt waren. Trotzdem entschloss ich mich spontan zu einem Bad im See. Wahrscheinlich war es die letzte Gelegenheit in diesem Jahr.
    Stormy trank, dann graste sie am Ufer, wo das Gras grün und saftig war. Ihr furchtbares Erlebnis mit der Klapperschlange schien sie vergessen zu haben, was mich wunderte. Denn Tom hatte mal zu mir gesagt: »Pferde vergessen nichts und vergeben alles.«
    Schon bald schlief die Stute im Stehen.
    Als ich in der Ferne ein Motorengeräusch und laute Musik hörte, schwamm ich schnell ans Ufer. Ich pellte mich aus meiner nassen Unterwäsche, trocknete mich ab und schlüpfte in Hose und T-Shirt.
    Aber ich war zu langsam.
    Ein verbeulter Thunderbird mit offenen Fenstern donnerte aus dem Wald auf die Wiese und ich erkannte den Wagen, in den Marlin immer stieg, wenn er unten an der Straße wartete. Die aufgedrehten Bässe dröhnten.
    Mit einem Satz war ich auf Stormys Rücken. Doch der Thunderbird kam direkt auf die Stute zugebraust und umkreiste uns. Stormy hatte furchtbare Angst. Sie wieherte aufgeregt und stieg. Es ging so schnell, dass ich mich nicht halten konnte.
    Für Tom Thunderhawks geniale Falltechnik war keine Zeit gewesen, aber ich fiel ins weiche Ufergras und war sofort wieder auf den Beinen. Als der Thunderbird abrupt bremste und sich gleichzeitig alle vier Türen öffneten, riss Stormy ihren Kopf herum und jagte davon.
    Ich versuchte nicht, sie zurückzuhalten. Besser, sie war nicht hier, denn die Jungs, die aus dem Wagen stiegen, waren Marlin und seine zwielichtigen Freunde. Alle vier in Rot und Schwarz gekleidet. Die anderen waren älter als Marlin; ich hatte sie alle drei schon gesehen.
    Â»Na, wen haben wir denn da?«, sagte der Älteste von ihnen, ein verschlagenes Grinsen im Gesicht. Das musste Harold Walker aus Wounded Knee sein. The Rat prangte in großen schwarzen Lettern auf seinem T-Shirt. Ein Name, dem er alle Ehre machte – mit seinem spitzen Gesicht und den kleinen schwarzen Augen, denen nichts entging. Sein Haar war kurz geschoren, aber an der Seite trug er einen dünnen, geflochtenen Zopf. Schwarze Hosen, rotes T-Shirt. Rot und Schwarz, die Farben der Outlaws. Leo Little Moon hatte mir erzählt, wie skrupellos sie waren. Und mir geraten, ihnen aus dem Weg zu gehen. Aber das konnte ich nicht.
    Marlin und die anderen beiden lachten. Ein großer Dünner, dem die Vorderzähne fehlten, und ein kleiner Kompakter mit einer schwarzen Baseballkappe. Ihre dunklen Gesichter waren von Dummheit und Prügeleien gezeichnet.
    Harold kam auf mich zu, und ich wich immer weiter zurück, bis ich mit dem Rücken zum Wasser stand. Er grinste bösartig. Das Herz schlug mir in der Kehle, und das schrille Gefühl der Angst wurde immer stärker. Was hatte er vor?
    Â»Na, warst du baden, Tally?«, fragte Harold.
    Ich zuckte zusammen. Woher kannte er meinen Namen?
    Â»Willst du gleich noch mal baden?«
    Â»Was willst du?«, fragte ich und musste mich zwingen, langsam und ruhig zu sprechen, während ich innerlich zitterte.
    Â»Dich baden sehen«, sagte Harold. Die anderen lachten. Es war ein irres, ein anzügliches Lachen. Eines, das mich Schlimmes ahnen ließ. Wahrscheinlich waren alle vier bekifft und vollkommen unberechenbar. Dass Marlin nicht mehr lachte, bemerkte ich gar nicht. The Rat zog sich sein T-Shirt über den Kopf und warf es ins Gras. Wie benommen starrte ich auf seinen drahtigen Brustkorb, auf dem ein handtellergroßes Brandzeichen prangte. Ein O mit einem W drin. Meine Angst wandelte sich in Entsetzen.
    Â»Lass sie in Ruhe«, hörte ich Marlin plötzlich sagen.
    Mein Blick flog zu meinem Cousin.

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