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Talitha Running Horse

Talitha Running Horse

Titel: Talitha Running Horse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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ich, aber da krachte auch schon ein zweiter Schuss. Stormy jagte an Jesse vorbei und kam vor mir zum Stehen, so abrupt, dass Grasfetzen flogen und ich ein paar Schritte zurücktaumelte. Ich dachte, sie wäre getroffen, aber als ich nach ihren Zügeln griff, um sie zu beruhigen, konnte ich nirgendwo Blut entdecken.
    In diesem Augenblick der Verwirrung sah ich, dass es Jesse war, der blutete. Er hielt sich die Hand und stieß nuschelnd wilde Flüche und Beschimpfungen aus. Die Waffe lag vor ihm im Gras. Er ging in die Knie, um sie aufzuheben, da riss Stormy sich erneut von mir los und jagte mit einem wütenden Wiehern auf Jesse zu, der sich nur noch mit einem Hechtsprung vor den harten Hufen der Stute retten konnte.
    Â»Nichts wie weg hier«, schrie der Kurze. Er riss Jesse vom Boden hoch und flüchtete mit ihm in den Thunderbird. Harold, die Ratte, hatte sich von Marlins Gewicht befreit. Er war voller Blut und einen Augenblick lang schien ihn die Möglichkeit, dass es von ihm selbst stammen könnte, zu verunsichern. Dann rappelte er sich blitzschnell auf. Noch bevor er sich davonmachte, trat er Marlin mit dem Stiefel in die Seite. Ich hörte meinen verletzten Cousin stöhnen.
    Türen schlugen zu und der Motor des Thunderbird heulte auf. Die Reifen drehten durch, aber dann griffen die Räder und der Wagen fuhr davon. Als er auf den Schotterweg krachte, streifte der Auspuff mit einem schrecklichen Knirschen über die Steine. Dann verschwand das Auto aus meinem Blickfeld. Der Knoten in meiner Brust, der mir den Atem geraubt hatte, löste sich langsam.
    Ich blickte mich nach Stormy um. Da stand Tom Thunderhawk in einiger Entfernung, das Jagdgewehr noch in der Hand. In der anderen sein Handy, mit dem er die Polizei und den Notarzt verständigte.
    Ich kniete neben meinem verletzten Cousin, als Neil herangeritten kam. Er sprang ab und nahm mich fest an den Schultern.
    Â»Bist du verletzt, Tally?«, fragte er. Ich sah ein Flackern in seinen Augen, eine Wut, die gleichzeitig auch Angst war.
    Â»Nein«, sagte ich ruhig. »Mir ist nichts passiert.«
    Neil ging in die Knie und beugte sich nun ebenfalls über Marlin. Die Kugel aus Jesses Gewehr hatte ihn in den Rücken getroffen, ein Stück unter dem rechten Schulterblatt. Tom half Neil, Marlin umzudrehen. Auf seiner Brust hatte sich ein nasser Fleck gebildet.
    Tom zog Marlins T-Shirt nach oben und für einen Augenblick starrten wir alle drei mit entsetzten Blicken auf Marlins Brust. Nicht auf die Wunde, sondern auf ein kreisrundes Brandzeichen mit einem W in der Mitte, das Marlin über dem Herzen trug.
    Tom fasste sich als Erster und untersuchte die Wunde. Sie blutete stark. »Ich hoffe, der Rettungshubschrauber wird schnell hier sein«, sagte er. »Ich habe ihnen die Lage der Hütte und des Sees so gut beschrieben, wie ich konnte.«
    Marlin stöhnte, langsam schien er das Bewusstsein wieder zu erlangen. Er hob den Kopf und starrte auf das Loch in seiner Brust. Tom drückte ihn sanft zurück. »Sieh nicht hin, Junge«, sagte er. Er zog sein eigenes T-Shirt über den Kopf und presste es auf die Wunde.
    Marlins Zähne schlugen aufeinander, obwohl es warm war. Zum ersten Mal in meinem Leben tat mir mein Cousin Leid. Er hatte mich jahrelang gepiesackt und gequält, mich bestohlen und mir das Leben schwer gemacht. Aber als es wirklich darauf ankam, da hatte er mich verteidigt. Meine Verwirrung darüber hätte nicht größer sein können.
    Â»Halte durch«, sagte Tom, »der Hubschrauber ist gleich da.«
    Marlin wollte etwas sagen, aber aus seinem Mund kam nur ein Blubbern. Ich merkte, dass er zu mir sprechen wollte, und beugte meinen Kopf an seinen Mund.
    Â»Es …tut mir …Leid, Tally«, sagte er stockend, und ich spürte, wie viel Kraft es ihn kostete, zu sprechen.
    Â»Schon gut, Marlin«, sagte ich. »Streng dich jetzt nicht so an.«
    Aber Marlin nahm noch einmal all seine Kraft zusammen. »Sag … auch meiner… Mutter, dass …es … mir Leid tut.«
    Â»Das wirst du ihr selber sagen, okay?«
    Sein Atem wurde zu einem Röcheln, und ich hatte auf einmal Angst, dass er sterben könnte. Ich sah Tom an, der immer noch sein zusammengeknülltes T-Shirt auf Marlins Brust presste.
    Dann traf mein Blick auf Neils Gesicht. Voller Entsetzen kniete er da, unfähig sich zu rühren oder auch nur ein Wort herauszubringen. Ich wusste, dass er meinen

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