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Talk Talk

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Titel: Talk Talk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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rattenverseuchte, von alleinstehenden Müttern und Crackjunkies bevölkerte Schuhschachteln unterteilt worden war. Nein, dies war ein Haus, in dem reiche Leute lebten, die Art von Haus, in dem sie immer lebten. Und reiche Leute bauten ihre Häuser aus Stein. Das war das erste, was er sah: Stein. Eine vom streifigen Sonnenlicht beschienene Wand aus grauen Steinen, die durch die Bäume schimmerte, als er Sandman und der Maklerin den kiesbestreuten Weg hinauf folgte. Und dann die wasserglatten Fenster, das Schieferdach, das glänzte, als wäre es immer naß, die kupfernen Fallrohre mit ihrer grünen Patina.
    Natalia sagte: »Das ist ein nettes Einwesen, nicht?«
    Der Platz vor der Treppe, wo Sandman und die Maklerin – Janice Levy, klein, überschwenglich, mit buschigem Haar – ausstiegen, lag in einem See aus Sonnenlicht. »Anwesen, meinst du«, sagte er. »Ja, und sieh dir das an, sieh dir die Aussicht an.« Er zeigte auf den Rasen, der in sanften Wellen hinunter zu einer Baumreihe verlief, über deren Wipfeln man den Fluß und die Berge sehen konnte.
    »Ich finde es blöd.« Madison beugte sich mit angespanntem Gesicht vor. Ihre Augen nahmen alles auf. »Ich finde es blöd, Mommy. Es sieht aus wie ein Hexenhaus. Und hier gibt’s keine Kinder zum Spielen.«
    Ganz gegen ihre Gewohnheit ignorierte Natalia ihre Tochter, und dann stiegen sie aus. Sandman grinste, und Janice Levy beobachtete sie mit dem scharfen Blick der Verhaltensforscherin und wartete auf irgendeine winzige Kleinigkeit, irgendeinen Ausrutscher, der sie verraten würde. »Wartet, bis ihr’s von innen gesehen habt«, sagte Sandman. »Ich hab dir doch gesagt: Das Haus ist für dich gemacht.«
    Sandman hatte recht. Es war tatsächlich für ihn gemacht, ja, kein Zweifel. Selbst wenn es leer wie eine Scheune oder im Motelstil renoviert gewesen wäre, mit quarkweißen Decken und limonengrünen Wänden, hätte er es sofort genommen. Der Vertrag war bereits ausgehandelt, es fehlte nur noch seine Zustimmung. Und die von Janice Levy, die im Auftrag und mit Vollmacht der Meisters handelte. Diese befanden sich bereits in West Palm Beach, weil Mrs. Meister mit ihren zweiundsiebzig Jahren die Winter nicht mehr ertrug, und ganz gleich, wie feuchtwarm und moskitoverseucht Florida war – es konnte nicht schlimmer sein als ein New Yorker Sommer, selbst wenn eine Brise vom Fluß wehte. Schwül war eben schwül. Das jedenfalls erzählte ihnen Janice Levy, die, als sie die Worte der alten Dame wiederholte, ihre Stimmlage bis knapp an die Grenze der Karikatur hinaufschraubte. Sie führte sie durch das Haus, wies sie auf Ausstattungsdetails hin und redete wie ein Wasserfall.
    Sandman sah gut aus, geradezu respektabel, denn die Tätowierungen waren unter einem langärmligen Button-down-Hemd in dezentem Bankerhellblau verborgen, einer Farbe, die seine Augen gut zur Geltung brachte, und seinen Bart hatte er auf einen schmalen dunkelblonden Streifen unterhalb der Unterlippe reduziert. Er grinste, zupfte an den Manschetten und senkte seinen Bariton auf die angenehmste Tonlage, während sie durch die Räumlichkeiten schlenderten und Janice Levy plapperte, gestikulierte und sich professionell einschmeichelte. »Und dann die Bar«, sagte sie. »Sehen Sie sich mal die Bar an.«
    Sie waren im großen Salon mit dem offenen Kamin und dem Blick auf den Fluß, dem alten Eichenparkett, das im Lauf der Jahre einen satten Goldton angenommen hatte, und der Bar, die – versehen mit Spülbecken und Mini-Kühlschrank – in einer weißverputzten Nische eingebaut war. »Ja«, hörte er sich sagen, »hübsch.« Er hatte sein ausdrucksloses Gesicht aufgesetzt und trug die neue verspiegelte Sonnenbrille, die er in einem Einkaufszentrum irgendwo in Utah gekauft hatte, denn er hatte nicht vor, irgend etwas von sich preiszugeben, auch wenn bereits alles feststand und es weder einen Grund noch Spielräume für Verhandlungen gab: Unterschreib oder laß es. Aber das war eben die Art, wie er Geschäfte machte. Laß die anderen nie merken, was du denkst.
    Natalia strich über die glattpolierte Theke der Bar und erkundigte sich bei Janice nach Schränken. »Gibt es hier keinen Verstauraum?«
    Janice Levy stützte einen Ellbogen in die Hand und legte den Kopf auf eine Art schief, die, wie sie glaubte, Offenheit und Ehrlichkeit signalisierte. Sie versicherte Natalia, daß die vorhandenen Wandschränke mehr als ausreichend seien. In einem alten Haus – einem klassischen Haus – müsse man allerdings ein

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