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Talk Talk

Talk Talk

Titel: Talk Talk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Bilder hängen sollten. »Nein«, sagte er, »ich habe ihn nicht gesehen, aber könntest du mal eben... Der Champagner steht da drüben im Eiskübel, und meine Hände...« Er hielt sie hoch, naß und verschmiert mit den Innereien des Tintenfischs. »Und die Kasserolle auf dem Herd – könntest du die Flamme runterdrehen? Auf klein. Ganz klein.«
    Sie trug eine Caprihose, die die perfekte Rundung ihrer Waden und die zierlichen Knöchel und Füße zur Geltung brachte, offene Sandalen und eine weiße Bluse, die sie unter dem Busen verknotet hatte. Auch das Haar hatte sie aufgesteckt zum Zeichen, daß sie ernsthaft tätig war – schließlich hatte sie ein ganzes Haus auf Vordermann zu bringen. Er schnitt die Tintenfischstreifen kreuzweise ein, damit sie zarter wurden, und sah zu, wie Natalia zum Herd glitt und sich dann ein Glas Champagner einschenkte. Und was empfand er dabei? Liebe? Begehren? War er still durchdrungen von Erfüllung und häuslichem Glück?
    »Laß uns darauf trinken«, sagte er, legte das Messer beiseite, wischte sich die Hände an einem Handtuch ab und nahm sein Glas.
    Die Sonne hatte sich durch die Wolken getastet und beleuchtete plötzlich eine Baumgruppe vor dem Fenster. Es wurde heller, als hätte jemand einen Dimmer betätigt, und ebenso rasch verblaßte das Licht wieder. Ein Schnappschuß. Mit sehr langer Verschlußzeit. Natalia musterte ihn. Sie verlagerte ihr Gewicht auf ein Bein und hob das Glas an die Lippen. »Auf was denn?« fragte sie, und ihr Gesichtsausdruck veränderte sich. »Auf, auf« – und jetzt kam es, die Röte der Wangen, der Tränenfilm, der sich schützend über die Augen legte –, »auf einen Mann, der es nicht einmal nötig findet, mich seiner Mutter vorzustellen? In der Stadt seiner Heimat? Seine Verlobte? Willst du darauf trinken? Willst du das?«
    Er sagte ihren Namen, sanft, beschwichtigend.
    »Weil ich diese Scheiße nicht ertragen kann. Das ist es doch: Scheiße . Hast du mich verstanden?«
    »Bitte«, sagte er, »nicht jetzt.«
    »Doch, jetzt«, sagte sie, stellte sich breitbeinig hin, um einen besseren Stand zu haben, warf den Kopf zurück und stürzte den Champagner in einem Zug hinunter, als wäre sie wieder in Jaroslawl und tränke selbstgebrannten Wodka. »Ich glaube dir nicht. Ich glaube dir keine Worte. Dieses Geld. Woher hast du dieses Geld? Machst du Geschäfte mit Drogen?«
    Er starrte sie nur an. Er wollte dieses Thema nicht vertiefen.
    »Werde ich... Muß ich dann ins Gefängnis? Wie Sandman? Und du, du bist auch in einem Gefängnis gewesen, das weiß ich.«
    »Das ist eine lange Geschichte«, sagte er.
    »Ja. Aber du mußt sie mir sagen. Du mußt mir alles sagen.« Sie schenkte sich ein zweites Glas Champagner ein, und er sah, daß ihre Hand zitterte. »Denn ich schwöre, wenn du nicht... Schämst du dich zu mir? Warum? Weil ich einen Akzent habe? Schämst du dich, so daß ich nur Sandman kennen kann und nicht deine Mutter?«
    »Das ist es nicht«, sagte er. Er hatte sich nicht von der Stelle gerührt. Der Tintenfisch lag säuberlich vorbereitet auf der Theke, das Glas war leer, auf dem Herd köchelte der Fond. »Gut, du hast recht«, sagte er, schaltete die Flamme unter der Kasserolle aus und schenkte sich ein. »Es ist wohl an der Zeit. Du bist ja völlig durchgedreht. Drogen? Ich? Hast du mich je irgendwelche Drogen nehmen sehen? Hab ich je auch nur Gras geraucht, auch nur einen einzigen Zug?«
    »Kokain.«
    »Das ist doch nichts. Hier und da mal eine Nase, nur so, zum Spaß. Einmal die Woche vielleicht – oder auch nur alle zwei Wochen. Na und?« Er breitete protestierend die Arme aus. »Du kokst doch selbst ganz gern.«
    Sie lächelte schmal. »Ja. Manchmal.«
    »Ich bin kein schlechter Mensch. Glaubst du, ich bin ein schlechter Mensch? Mir ist dasselbe passiert wie dir: Ich hab mich mit dem falschen Menschen eingelassen. Mit meiner Frau. Meiner Exfrau. Damit hat es angefangen, genau wie bei dir – genau wie bei dir mit, wie war noch mal sein Name? Madisons Vater?«
    Sie setzte sich an den Tisch, den sie gestern gekauft hatten – Eiche, 1890, dazu sechs passende Stühle, zwei mit geleimten, übermalten Haarrissen –, und sie leerten die Flasche und öffneten eine zweite, und er erzählte ihr soviel wie möglich, denn er wollte aufrichtig sein; er liebte sie und war überzeugt, daß man in einer Beziehung ehrlich miteinander umgehen sollte. Doch er sagte ihr nicht, daß sein richtiger Name Peck war. Bridger war gut, Bridger war völlig in

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