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Talk Talk

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Titel: Talk Talk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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noch Ein-Zimmer-Apartments – und diese ausschließlich wochenweise – vermietete, und ließ sich von dem angenehmen, kühlen nachmittäglichen Geruch einsaugen wie von einem Vakuum.
    Er wollte sich auf keinen Fall betrinken, nicht mal ein bißchen, aber die ersten beiden Gläser Bier gingen runter wie nichts, und danach trank er ein Glas Wasser und bestellte noch ein Bier, und das alles in den ersten fünf Minuten. »Ziemlich heiß da draußen, was?« bemerkte der Barmann und trocknete sich die Hände ab, und ein paar der Stammgäste sahen kurz auf, bis Peck bestätigt hatte, draußen sei es ziemlich heiß. Im Fernseher lief ein Spiel der Mets. Die Jukebox spielte. Es hätte der normalste Tag seines Lebens sein können. Er nahm einen Schluck von seinem dritten Bier, sein Durst – er war noch nie so durstig gewesen – war beinahe gestillt. Dann ging er zur Toilette, um sich zu waschen und in Ordnung zu bringen.
    Das Licht und der Ventilator gingen an, als er die Tür öffnete, und die Urinaltabletten und das automatische Deospray an der Tür schafften es kaum, den Gestank zu überdecken. Sein Knie war von dem Sturz auf der Straße aufgeschürft, doch er kümmerte sich nicht darum, sondern betupfte nur das eingetrocknete Blut am Hosenbein und spritzte sich etwas Wasser ins Gesicht. Was er im Spiegel sah, gefiel ihm nicht. Das war nicht Peck Wilson, sondern ein weichliches, verängstigtes, käsegesichtiges Kerlchen, dessen Gedanken nicht aufhörten, gegen die gefletschten Zähne des Augenblicks anzurennen. Und wenn sie nun den Wagen durchsuchten? Wenn sie sein Handy fanden? Dann würden sie auf Sandmans Nummer stoßen, und das würde Sandman nicht gefallen. Und das Haus – was, wenn Natalia ihnen die Adresse verriet und sie das Haus durchsuchten? Die wichtigsten Dokumente – seinen Paß, die Sparbücher und so weiter – bewahrte er in einem Bankschließfach auf, aber sie würden trotzdem jede Menge finden: die Namen und Kontonummern in seinem Notizbuch zum Beispiel, obwohl das nichts Belastendes war, denn die hatte er ja noch nicht verwendet. Sie würden jedoch andere Papiere finden, Stromrechnungen, Kreditkartenbelege, die mit M. M. Mako, Bridger Martin und Dana Halter unterschrieben waren. Den Mietvertrag. Den Wagen, der sie zu Bob Almond, dem Haus in Mill Valley und der Maklerin führen würde. Der Ventilator rasselte, setzte aus und rasselte abermals. Die automatische Spraydose zischte. Für einen langen Augenblick starrte er auf einen gelblichen Schmierstreifen an der Wand, wo jemand eine Kakerlake erschlagen hatte.
    Aber vielleicht waren seine Sorgen ja vollkommen unbegründet. Vielleicht war Natalia so schlau gewesen zu verschwinden. Natürlich hatten sie seine Mutter und kannten seinen echten Namen und sein Vorstrafenregister, doch sie wußte nicht, wo er wohnte. Der Gedanke an das Haus riß ein so tiefes Loch in ihm auf, daß er den Blick vom Spiegel wenden mußte. Er würde nicht mehr dort wohnen können – oder doch? Wenn er sich konsequent von Peterskill fernhielt, wie er es von Anfang an vorgehabt hatte, wenn er richtig Geld machte, konnte er es vielleicht als Ferienhaus oder so behalten... Aber da war Bridger Martin. Da war Dana Halter. Und wie zum Teufel hatten die ihn gefunden?
    Er war so in Gedanken versunken, daß er zusammenzuckte, als die Tür aufging und ein alter Mann mit Schultern, so breit wie zwei Handspannen, ihn streifte und zu den Urinalen ging, doch dann hörte er die Jukebox, nur einen Fetzen Musik – Bob Marley mit »No Woman, No Cry« –, und er sah noch einmal in den Spiegel und war wieder Peck Wilson. Er war wieder obenauf. Langsam und sorgfältig und ohne den Blick von seinen Augen im Spiegel abzuwenden, wusch er sich mit Seifenpulver und lauwarmem Wasser energisch die Hände und trocknete sie in aller Ruhe mit Papiertüchern ab, während der Alte ins Urinal spuckte und darauf wartete, daß seine Blase ihren Inhalt hergab. Als er fertig war, ging er zu dem Münztelefon, das in dem langen Gang vor der Herrentoilette angeschraubt war, und wählte Natalias Nummer.
    Während er auf den Klingelton lauschte, sah er durch den Tunnel des Gangs in den tieferen Tunnel der Bar, wo vor dem leeren Barhocker sein halbvolles Bierglas auf der Theke stand, als wäre er bereits weg, als liefe er bereits mit einem anderen Gesicht durch eine andere Stadt, ein anderes Leben. Dreimal, viermal. Und dann ein Klicken, und ihre Mailbox schaltete sich ein: Hier ist Natalia. Ich bin nicht da, bitte.

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