Talk Talk
Und deine Mutter. Deine eigene Mutter.«
»Hör zu, es ist alles in Ordnung, es kommt alles wieder in Ordnung. Haben sie... Bist du nach Hause gefahren?«
Ihre Stimme war wieder da, stark, getrieben von Empörung. »Gefahren? Wie denn? Sie haben den Wagen genommen. Nein, beschlagnahmt, haben sie gesagt. Und ich bin eine verschwitzte Frau. Ich bin hungrig. Und wer soll Madison vom Tagescamp abholen, kannst du mir das sagen?«
»Was hast du ihnen erzählt? Wo bist du jetzt?«
Sie sagte etwas auf russisch, etwas Hartes, Knirschendes, und legte auf. Ihm sank das Herz. Es war vorbei. Alles war vorbei. In diesem Augenblick spürte er etwas am Arm: Jemand stieß ihn an, und als er sich umdrehte, sah er in das Gesicht eines aufgedunsenen Versagers in einem schwarzen Motorrad-T-Shirt und mit einem ganzen Sortiment Ringe, Armbänder und Halsketten. »Bist du fertig, Mann? Ich meine, kann ich dann mal –«
Herrgott! Er mußte sich enorm beherrschen – so etwas konnte sich sehr schnell sehr unschön entwickeln. »Einen Moment«, sagte er. »Die Verbindung ist unterbrochen worden.«
Aber dieser Clown wollte den Wink nicht verstehen. Er blieb mit verschränkten Armen stehen. »Kenne ich dich nicht?« sagte er.
»Nein, du kennst mich nicht«, sagte Peck, aber vielleicht stimmte das nicht. Hatte es was mit einem Motorrad zu tun? »Verpiß dich.«
»Hier ist Natalia.«
Er kehrte dem Typ den Rücken – wenn der ihn noch einmal anrührte oder sonst irgend etwas machte, war er ein toter Mann. Er schirmte den Hörer mit der Hand ab und versuchte, mit ruhiger Stimme zu sprechen. »Nimm dir ein Taxi«, sagte er. »Egal, wo du bist – nimm dir ein Taxi. Wir treffen uns –«
»Egal, wo ich bin? Ich bin an einem häßlichen Ort in dieser häßlichen Stadt, in der du aufgewachsen bist, um ein Lügner zu sein, und ich kenne nicht mal deinen richtigen Namen. Bridger Martin? Der Polizist sagt, du bist nicht Bridger Martin. Und du bist auch nicht Da-na. William – kommt dir das bekannt vor? Hm, William?«
»He, Mann, hör mal –« Der Versager meldete sich noch einmal zu Wort, aber das war gar nichts, denn der Typ begriff, was hier abging, und spürte, was Peck verströmte. Die Diskussion war schnell beendet. »Ich meine, das hier ist nicht dein Wohnzimmer, Mann. Andere wollen auch mal telefonieren. Es ist ein öffentliches Telefon. Öffentlich .«
Ein Blick über die Schulter, ein Sandman-Blick, und er wich zurück, schleppte seine fetten Schultern und seinen fetten wunden Arsch zurück an die Theke und zog dabei eine möglichst große Show ab. Er pflanzte sich auf den Barhocker, nahm das Glas mit dem Zeug, das er trank, und blickte finster in den Spiegel hinter der Theke, als wollte er sich ins Gedächtnis rufen, was für ein böser, brutaler Bursche sich hinter seiner fetten Fassade verbarg. »Lassen wir das jetzt mal. Ich werde es wiedergutmachen, das verspreche –«
»Nein, das wirst du nicht.«
»Doch, werde ich.«
»Nein, wirst du nicht.« Sie hielt inne, um Luft zu holen. »Und weißt du auch, warum? Darum, weil ich nicht mehr dasein werde. Ich gehe. Ich hole Madison in einem Taxi ab, und dann gehe ich zu meinem Bruder, denn der ist kein Lügner und kein Verbrecher. Hast du mich gehört?«
»Was hast du ihnen erzählt?« sagte er. »Hast du ihnen gesagt, wo wir wohnen?«
Schweigen. Er glaubte zu hören, wie sie wieder schluchzte. Ganz leise sagte sie: »Ja.«
»Scheiße. Scheiße! Bist du bescheuert? Hm? Warum hast du ihnen das gesagt?«
»Ich hatte Angst. Sie waren bedrohend. Sie haben gesagt, sie –« Sie brach ab. »Meine Aufenthaltsgenehmigung. Sie werden mir meine Aufenthaltsgenehmigung abnehmen.«
Plötzlich war ihm kalt. Er spürte die Wirkung der Klimaanlage, und das Bier machte ihn so schwach, daß er kaum noch den Hörer halten konnte. »Was hast du ihnen von mir erzählt?«
»Was ich weiß. Daß du ein Lügner bist. Und ein Verbrecher.«
Er wollte die Sache in den Griff kriegen, er wollte Natalia befehlen, doch er fand den richtigen Ton nicht und spürte, wie ihm alles langsam entglitt. »Bitte«, hörte er sich sagen. »Bitte. Ich sag dir, wo wir uns treffen können. Du kannst in zehn Minuten hier sein. Wir holen Madison gemeinsam ab und –«
»Ich gehe jetzt«, sagte sie ganz leise, als wäre es ein Gebet. Und dann unterbrach sie die Verbindung.
Er ließ den Hörer fallen, ließ ihn an seiner schmierigen Schnur baumeln. Dann drehte er sich um und ging durch den ganzen Raum zur Tür, und als
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