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Tallinn-Verschwörung

Tallinn-Verschwörung

Titel: Tallinn-Verschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Marni
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Felsen, nahm dort den Helm ab und steckte ihn auf den Gewehrlauf.
    Während er den Helm hochhielt und ihn hin und her schwenkte, rief er die Flüchtlinge an. »He, ihr da drüben. Kommt mit erhobenen Händen heraus, sonst schießen wir.«
    Es dauerte nur ein paar Sekunden, bis jemand antwortete. »Ich verlange Sicherheit für meine Begleiterin!« Es war der Soldat, und er klang in den Ohren der Italiener verdammt ernst. Die Männer wussten, auf welche Weise Graziella entkommen war, und konnten sich vorstellen, dass sie das nicht noch einmal mitmachen wollte.

    Um das Ganze zu verkürzen, stand der Feldwebel auf. »Der Frau wird nichts geschehen!«
    »Ehrenwort?« Torsten konnte zwar nicht beurteilen, ob den Kerlen zu trauen war, aber er wollte sein Möglichstes für Graziella tun.
    »Ehrenwort!«, brüllte der Feldwebel zurück. »Und jetzt kommt heraus!«
    Torsten warf Graziella einen kurzen Blick zu und sah sie nicken.
    »Es ist das Beste, Signore. Entkommen können wir ihnen nicht, und zum Sterben habe ich wenig Lust. Da möchte ich vorher die Kerle bestraft sehen, die meinen Großonkel und den armen Kardinal Rocchigiani auf dem Gewissen haben.«
    Trotz seiner Kopfschmerzen und seiner Erschöpfung sah Torsten seine Begleiterin interessiert an und schnalzte mit der Zunge. »Diese Leute haben anscheinend so einiges auf dem Kerbholz!«
    Graziella nickte erneut. »Das haben sie, tedesco . Schade, dass ich nicht die Zeit habe, Ihnen alles zu erzählen. Wir sollten jetzt die Deckung verlassen, sonst werden die Schufte noch ungeduldig und schießen.«
    Torsten erhob sich unter Schmerzen, hob die Hände und ging auf die Freischärler zu. So ganz traute er ihnen nicht und erwartete jeden Augenblick eine tödliche Kugel. Diese blieb jedoch aus. Dafür tauchten mehrere kräftige Burschen in Uniform neben ihm auf, die er für gewöhnliche italienische Soldaten hätte halten können, wäre da nicht das faschistische Abzeichen auf ihren Ärmeln gewesen. In Torstens Augen handelte es sich um Kerle, wie es sie in jeder Armee gab, nicht allzu hell im Kopf, aber stolz darauf, zu einem harten Haufen zu gehören, und bereit, für einen entschlossenen Anführer durch die Hölle zu gehen. Für die zivile Gesellschaft
hatten diese Kerle nur Verachtung übrig. Es war die Kunst der Vorgesetzten, die Männer so einzusetzen, dass sie trotz allem auf der richtigen Seite blieben. Diese hier gehörten nicht mehr dazu. Trotzdem taten sie so, als wären sie Teil einer regulären Armee, die eben einen Gefangenen gemacht hatte.
    Der Unteroffizier kam auf ihn zu und fixierte ihn. »Name und Dienstgrad?«
    »Renk, Torsten, Leutnant der Deutschen Bundeswehr.« Da der andere so scharf darauf war, die Regeln einzuhalten, tat Torsten ihm den Gefallen und ließ sich auf das Spiel ein.
    »Kosovotruppe?«, bohrte der Italiener nach.
    Torsten nickte. Jede andere Aussage hätte den Mann nur nervös gemacht. Allerdings fragte er sich, wie die Freischärler reagieren würden, wenn sie erfuhren, dass er zum Abschirmdienst gehörte. Er hatte zwar nicht viel von Graziella erfahren, aber eines war ihm sonnenklar: Die Kerle hier waren mit Sicherheit keine Albaner und auch keine Serben, sondern hatten als Kinder ihre Füße im Po oder im Tiber gewaschen. Während die Freischärler ihm die Pistole und das Kampfmesser abnahmen und seine Uniform abklopften, ob er noch weitere Waffen bei sich trug, fragte er sich, ob Wagner wusste, dass hier im Grenzland zwischen dem Kosovo, Albanien und Mazedonien eine Geheimarmee aufgestellt wurde. Wahrscheinlich nicht, denn in dem Fall hätte der Major keinen kleinen Erkundungstrupp losgeschickt, sondern die Sache weitergeleitet.
    Obwohl es in einigen Armeen Europas kleinere rechtslastige Gruppierungen gab, war diese Truppe für ihn eine Überraschung. In Italien gehörten die Faschisten zwar seit Jahren der einen oder anderen Regierungskoalition an, doch trotz des wortgewaltigen Anführers des radikalen Flügels, an dessen Namen er sich nicht erinnern konnte, hatten die italienischen
Rechten als gezähmt gegolten. Das war wohl ein Irrtum gewesen, der sich noch als fatal herausstellen konnte. Torsten betrachtete die Männer und fand, dass sie sich in Disziplin und Verhalten sehr von den Schlägerhorden unterschieden, die Feiling in Deutschland auf die Beine gestellt hatte. Gerade deshalb waren sie doppelt gefährlich. Zwar waren die Rechten in den letzten Jahren auch in Deutschland immer wieder in Landesparlamente eingezogen, aber

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