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Tallinn-Verschwörung

Tallinn-Verschwörung

Titel: Tallinn-Verschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Marni
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einen stinkenden Eimer für die Notdurft.
    Obwohl ihr Gefängnis alles andere als bequem erschien, war sie froh, dass man ihr endlich den Knebel und die Fesseln abnahm. Einen Augenblick später brach jedoch all die aufgestaute Wut aus ihr heraus, und sie warf Gianni und den beiden Freischärlern alle Beleidigungen an den Kopf, die ihr in den Sinn kamen. Die beiden Soldaten waren entweder zu stumpf, um darauf zu antworten, oder zu diszipliniert, und Gianni grinste nur und machte eine obszöne Geste. Dann wies er die beiden Männer an, Graziella zu den Mahlzeiten vorerst nur Wasser und Brot zu bringen. Dafür erntete er ein weiteres Schimpfwort.
    Das ließ er ihr nicht durchgehen, sondern schlug ihr mit der flachen Hand ins Gesicht. »Diese Medizin bekommst du von jetzt an jedes Mal, wenn du mich ärgerst!«
    Graziella sah die beiden Freischärler bittend an, doch die Männer schienen sie nicht einmal wahrzunehmen. Einer trat mit angeschlagener Maschinenpistole unter den Türstock, während der andere eine Decke, eine Plastikflasche mit Wasser und ein Stück Brot holte. Ohne ein Wort zu sagen, warf er die Sachen auf die Matratze und wandte sich dann an Gianni.
    »Wollen Sie noch länger bei der Gefangenen bleiben?«
    Gianni schob den Mann mit der MP zur Seite und trat ebenfalls in den Flur. »Nein! Jetzt muss ich erst einmal etwas
zwischen die Zähne bekommen. Um die da werde ich mich später kümmern.«
    Der Freischärler nickte und warf die Tür ins Schloss. Graziella hörte, wie der Schlüssel umgedreht wurde, dann war sie allein.
    Die schwache Glühbirne, die an einer einfachen Fassung von der Decke hing, spendete nur trübes Licht, und es gab keinen Schalter. Also war sie auch in dieser Beziehung ganz von der Laune ihrer Bewacher abhängig. Mit dem Vorsatz, sich davon weder beeindrucken noch einschüchtern zu lassen, griff sie nach der Wasserflasche und stillte als Erstes ihren brennenden Durst. Danach biss sie in das Brot, das gerade mal ausreichte, um einen hohlen Zahn zu füllen, und kaute bedächtig darauf herum.
    Während sie den Geräuschen lauschte, die von draußen hereindrangen, suchte sie nach einem Ausweg aus ihrer Situation. Ihr Verstand schien jedoch wie gelähmt. Dabei hatte sie sich – sehr zum Missfallen ihres gestrengen Großonkels – etliche Actionfilme angesehen, in denen sich auch Frauen mit Mut und körperlicher Gewandtheit durchgesetzt hatten. Anscheinend war das Verhalten solcher Filmheldinnen auf sie nicht anwendbar, denn sie schreckte davor zurück, ihrem Kerkermeister etwas über den Kopf zu schlagen, wenn er die Türe aufmachte. Außerdem stand ihr nur der stinkende Plastikeimer zur Verfügung, und mit dem konnte sie nichts gegen einen Kerl ausrichten, der den Zeigefinger am Abzug einer MP hielt.
    »Feiges Stück!«, sagte sie zu sich selbst und kämpfte vergebens gegen die Tränen an. In diesem Zustand wurde sie von Don Pietro überrascht, der zusammen mit Lodovico und Gianni die Zelle betrat. Ihnen waren zwei Freischärler gefolgt, die nun draußen vor der Tür stehen blieben und ihre Gewehre schussbereit hielten. Das fand Graziella eher lächerlich,
denn nicht einmal eine Lara Croft hätte mit drei Männern in der Zelle und zwei Bewaffneten auf dem Flur fertigwerden können.
    Da sie sich völlig hilflos fühlte und so schwach war wie eine verhungernde Katze, blickte sie den Priester hoffnungsvoll an. Mit seiner langen Soutane und dem breitkrempigen Saturno, der im Volksmund Don-Camillo-Hut genannt wurde, hätte er einen guten Eindruck auf ihren Großonkel gemacht. Aber sein stechender Blick stieß sie ebenso ab wie der schmeichlerische Ton seiner Stimme.
    »Buongiorno, Signorina! Erlauben Sie mir, Ihnen meine allertiefste Anteilnahme für den Tod Ihres Großonkels, des Kardinals Monteleone, auszusprechen.«
    »Den Ihre Freunde umgebracht haben!« Graziella schob sich mit dem Rücken an der Wand hoch, bis sie dem Priester auf gleicher Höhe ins Gesicht sehen konnte, und bezähmte mühsam den Wunsch, ihn für seine Heuchelei zu ohrfeigen.
    Don Pietro beantwortete ihren Wutausbruch mit einem Lächeln, das wohl begütigend wirken sollte. »Es gibt Zeiten, die große Opfer erfordern, meine Tochter. Dein Großonkel ist eines dieser Opfer. Sein Tod war bedauerlich, aber notwendig.«
    »Damit ihr eure dreckigen Pläne ungestört weiterverfolgen könnt!«, brach es aus Graziella heraus.
    Im selben Augenblick saß ihr Giannis Hand im Gesicht. Während sie Blut auf ihren Lippen schmeckte,

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