Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tallinn-Verschwörung

Tallinn-Verschwörung

Titel: Tallinn-Verschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Marni
Vom Netzwerk:
brüllte er sie an: »Beleidige niemals die Ziele der Nationalen Aktion, du Miststück!«
    Er holte erneut aus, doch Don Pietro legte die Hand auf seinen Arm. »Nicht doch, mein Sohn. Sie müssen Geduld mit unserem Gast haben. Signorina Graziella ist verwirrt und hat Angst, was ich sehr gut verstehen kann. Heute scheint sie
noch nicht in der Lage zu sein, mit uns zu sprechen, doch dies kann morgen bereits ganz anders sein. Inzwischen lassen wir ihr etwas zu lesen hier, damit sie sich nicht langweilt.«
    Don Pietro nahm ein Heft, das Lodovico ihm reichte, und gab es an Graziella weiter. Diese ergriff es aus einem Reflex heraus und starrte auf das Titelbild, das aus einer üblen Karikatur bestand, welche die Überlegenheit der italienischen Nation gegenüber den Völkern östlich und südlich des Mittelmeers zeigen sollte. Die Schlagzeilen auf dem Titelblatt waren von ähnlichem Kaliber.
    Graziella warf dem Priester das Pamphlet vor die Füße. »Behaltet euren Schund für euch!«
    Don Pietros Augen leuchteten zornig auf. »Wir werden dir deinen Trotz schon austreiben! Kommt, lassen wir sie allein. Gianni, schalten Sie den Lautsprecher ein.«
    »Gerne, Hochwürden.« Gianni sah Graziella spöttisch an, und verließ als Erster die Zelle. Der Archivar und der Priester folgten ihm, dann schlug die Türe wieder ins Schloss.
    Graziella hörte noch, wie die Männer sich draußen kurz unterhielten, dann quäkte ein verborgener Lautsprecher auf und überschüttete sie so laut mit faschistischen Parolen und Sprüchen, dass ihr die Ohren wehtaten. Sie presste ihre Hände auf den Kopf und krümmte sich auf der Matratze. Zum Nachdenken oder gar zum Schlafen würde sie so nicht kommen.

SIEBZEHN
    H ans Joachim Hoikens legte die Hand auf die Brüstung und sah hinüber zu den Bergen, die jenseits des Tales in die Höhe strebten. Einige von ihnen trugen noch weiße
Firnkappen, die im Glanz der Abendsonne so rot leuchteten, als wären sie mit Blut übergossen.
    »Der Ausblick ist einfach überwältigend«, sagte er zu Major Mazzetti, der ihn zu diesem Platz geführt hatte. Sie standen an der höchsten Stelle des Höhlengewirrs in einer Kaverne, die früher einmal als Geschützstellung gedient hatte. Eine Kanone aus chinesischer Fertigung lag mit geborstenem Rohr in der Ecke. An ihrer Stelle sicherte ein schweres MG die Umgebung.
    »Dort drüben liegt bereits der Kosovo«, erklärte Mazzetti in fast akzentfreiem Deutsch. »Die Höhlen hier sind zum Teil natürlich und wurden unter Enver Hoxha zu einer Grenzfestung gegen Jugoslawien ausgebaut. Nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Systems ist die Anlage aufgegeben worden. Zuerst haben einige einheimische Clans die Höhlen für den Schmuggel benutzt. Später wurden sie von Kämpfern der UCK vertrieben, die hier einen Stützpunkt für ihren Krieg gegen Serbien einrichten wollten. Da die Kosovaren von Arabern unterstützt wurden, gerieten sie sich bald mit zwei katholischen Clans auf dieser Seite in die Haare. Wir haben unseren Glaubensbrüdern geholfen, die Moslems wieder zu verjagen, und benützen den Stützpunkt jetzt als Camp A für unseren europäischen Befreiungskrieg. «
    »Lässt euch die albanische Regierung einfach so gewähren? «, fragte Hoikens verwundert.
    »Hier an der Grenze haben lokale Anführer das Sagen. Solange sie die Regierung nominell anerkennen, lässt diese sie in Ruhe. Außerdem bekommt die Regierungspartei von hier die Stimmen, die sie braucht, um an der Macht zu bleiben. « Mazzetti schien sich über die Zustände in diesem Teil der Welt zu amüsieren und gab noch weitere Anekdoten über die hier herrschenden Anführer zum Besten, die Hoikens beweisen
sollten, wie dringend die Italiener hier als Ordnungsmacht benötigt würden.
    »Wenn die Revolution gesiegt hat, werden wir Albanien zu einer italienischen Provinz machen. Die Albaner werden sich damit zufriedengeben, insbesondere, wenn sie dafür den Kosovo und ein paar andere Gebiete bekommen.«
    Hoikens’ fand Mazzettis Visionen etwas zu optimistisch, äußerte jedoch keine Kritik, sondern wies zur gegenüberliegenden Seite. »Sind dort nicht irgendwo Einheiten der deutschen Bundeswehr stationiert?«
    »Deren nächstes Camp liegt keine zwanzig Kilometer von uns entfernt. Die Kerle haben nicht die geringste Ahnung, dass es uns gibt. Dabei haben wir erst letztens eins ihrer Fahrzeuge in die Luft gejagt. Jetzt fragen sie sich, ob die Albaner oder vielleicht doch die Serben dahinterstecken.«
    Hoikens‘

Weitere Kostenlose Bücher