Taltos
leiden konnte, aber dennoch hat er mich unterrichtet, und dennoch habe ich gelernt. Mir wird ganz übel, wenn ich daran denke, was mein Vater dafür gezahlt haben muß. Es war interessant, und ich habe was gelernt, aber es war mir zuwider, also habe ich nicht so hart gearbeitet wie ich gekonnt hätte. Um ehrlich zu sein habe ich, glaube ich, eher daran gearbeitet, es nicht zu mögen. Aber auf der anderen Seite machte mir die Nähe zu meinem Großvater viel mehr Spaß als das Erzeugen niedlicher kleiner Blitze in meiner Handfläche.
Dieses Hin und Her dauerte noch eine ganze Weile –
bis mein Vater starb, um genau zu sein. Mein Großvater hatte damit begonnen, mir das Fechten im einhändigen, seitlichen Stil der östlichen Rapierkämpfer beizubringen.
Als mein Vater davon erfuhr, heuerte er einen
dragaeranischen Schwertkampflehrer an, damit der mir 55
die direkte, frontale Stich- und Schlitzmethode für Schwert und Dolch zeigen konnte, was allerdings in einem Fiasko endete, weil ich noch nicht einmal genug Kraft hatte, das Übungsschwert eines Dragaeraners zu heben.
Komischerweise vermute ich, daß Noish-pa, wenn
Vater es von ihm gewollt hätte, tatsächlich damit aufgehört hätte. Aber mein Vater hat es nie verlangt; er hat nur gegrummelt und sich ab und an beklagt. Er war, glaube ich, so davon überzeugt, daß alles Dragaeranische besser war als das Ostländische, daß er erwartet hat, ich würde das auch so sehen.
Der Ärmste.
Sethra Lavode begutachtete den Fußboden mit einem Gesichtsausdruck, den ich immer dann aufsetze, wenn ich etwas auf möglichst schonende Art und Weise erzählen will. Dann nickte sie fast unmerklich und schaute wieder auf. »Kennt Ihr den Unterschied zwischen einem Magier und einem Zauberer?«
»Ich glaube schon«, sagte ich.
»Nur wenigen gelingt es, das erforderliche Können der Zauberei, der Totenbeschwörung und anderer Disziplinen aufzubringen und sie angemessen zu verbinden. Die meisten Magier entstammen dem Haus der Athyra oder dem der Dzur. Loraan ist ein Athyra.«
»Wie war nochmal der Name?«
»Loraan.«
»Den hab ich noch nie gehört.«
»Nein. Das könnt Ihr auch nicht. Er hat eigentlich noch nichts Bemerkenswertes geleistet. Er studiert die 56
Magie, wie die meisten Magier der Athyra. Falls Euch das etwas bedeutet, er hat die Methode entdeckt, durch die die letzten Gedanken eines Sterbenden zeitweilig in Flüssigkeiten bewahrt werden können. Er hat den Versuch unternommen, verläßlichere Wege für die Kommunikation mit den Toten zu finden, indem er…«
Nachdem ich minutenlang völlig verloren einer
Beschreibung merkwürdiger Zauberkünste zugehört hatte, die ich gar nicht kennen wollte, unterbrach ich:
»Toll. Sagen wir doch einfach, was er macht, das macht er gut. Was wollt Ihr von mir?«
Wieder dieses leichte Lächeln. Ihre Lippen waren dünn und sehr blaß. »In seinem Besitz befindet sich ein gewisser Gegenstand, ein Stab, welcher etwas in der Totenbeschwörung höchst Seltsames enthält – die Seele eines Wesens, das weder lebendig noch tot ist, unfähig, den Gleiter der Wartenden Seelen zu erreichen, unfähig, die Pfade der Toten zu erreichen, unfähig –«
»Schön«, sagte ich. »Also ein Stab mit ner Seele drin.
Weiter.«
Morrolan rutschte auf seinem Sessel hin und her, und ich sah, wie er die Zähne zusammenbiß. Eindringlich starrte er mich an, wobei er sich anscheinend in Zurückhaltung übte. Da kam mir zum erstenmal in den Sinn, daß sie mich wirklich nötig brauchten.
Sethra sagte: »Wir haben uns ausgiebig mit ihm
unterhalten, doch er ist entschlossen, diese Seele gefangenzuhalten. Die Seele bietet ihm unschätzbare Informationen, und außer seiner Arbeit kümmert ihn gar nichts. Der Stab ist ihm durch Zufall kurz nach Ende des Interregnums in die Hände gekommen, und er hat
keinerlei Interesse, ihn wieder herzugeben. Seit einigen Wochen, seit wir entdeckt haben, wo er sich befindet, haben wir nun schon Versuche unternommen, ihn dazu zu 57
bringen, den Stab einzutauschen oder zu verkaufen. Über zweihundert Jahre lang haben wir danach gesucht.«
Allmählich durchschaute ich die Angelegenheit, und sie gefiel mir ganz und gar nicht. Aber ich sagte: »Also gut, sprecht weiter. Wo komme ich in der Geschichte vor?«
»Wir möchten, daß Ihr in seine Behausung eindringt und den Stab entwendet.«
Ich antwortete: »Jetzt suche ich nach einer höflichen Umschreibung für ›Vergeßt es‹; aber ich finde keine.«
»Die Höflichkeit
Weitere Kostenlose Bücher