Taltos
welches drei Wochen und einen
Morgantidolch in Anspruch genommen hätte. Ich hasse Morgantiwaffen.
Als Kragar mit den Zeichnungen wieder aufkreuzte, verbrachten wir einen ganzen Tag damit, sie uns anzusehen, und hatten alle möglichen dämlichen Einfälle.
Wir waren schlicht und einfach nicht in der Lage, uns etwas Intelligentes auszudenken. Also schoben wir es einen Tag beiseite und versuchten es nochmal, allerdings mit dem gleichen Ergebnis. Schließlich meinte Kragar:
»Hör mal, Boß, die Idee, in die Behausung eines Athyra-Magiers einzudringen, ist dämlich. Also ist jeder Einfall, wie man so etwas machen könnte, ebenfalls dämlich.«
»Hmmmmmm, ja.«
»Also, mach doch einfach die Augen zu und such dir 68
was aus.«
»Na gut«, sagte ich.
Und so haben wir es auch gemacht.
Dann haben wir ein paar Stunden daran herumgefeilt, damit der Einfall auf das geringste Maß an Wahnwitz zurechtgestutzt wurde. Als Kragar aufbrach, um ein paar Vorkehrungen zu treffen, machte ich die Augen zu und dachte über Sethra Lavode nach. Ich rief mir ihren Anblick ins Gedächtnis, versuchte, ihre Stimme zu
›hören‹, und sandte meine Gedanken auf die Suche.
Sethra Lavode? Wo bist du, Sethra? Hallo? Vlad hier…
Der Kontakt kam bemerkenswert leicht zustande.
Sie sagte: »Wer ist da?«
»Vlad Taltos.«
»Ah. Was gibt es denn?«
»Ich habe einen Plan, wie ich reinkommen kann. Ich muß mit Euch und Morrolan den Zeitplan, die Unterstützung und dergleichen absprechen.«
»Wohlan«, sprach sie.
Es hat ungefähr eine Stunde gedauert, und am Ende war ich auch nicht zuversichtlicher als vorher. Aber so ist das nunmal. Anweisungen wurden erteilt, Vorkehrungen getroffen, und ich hab mein Testament nochmal
durchgelesen. Was man so macht.
69
Ich fühlte mich Loiosh sehr nah, war eins mit ihm. Mir fiel auf daß ich mit übereinandergeschlagenen Beinen vor der Rune saß, die ich in den Sand gezeichnet hatte.
Noch immer war mir nicht klar, warum ich das überhaupt getan hatte, aber ich hatte einfach das Gefühl, es müßte so sein.
Still war es hier. Der Wind, der fast ganz abgeflaut war, flüsterte mir Geheimnisse ins Ohr. Ganz deutlich konnte ich den Stoff rascheln hören, als Loiosh sich auf meiner Schulter ein bißchen bewegte.
Da verspürte ich plötzlich etwas – ein rhythmisches Pochen, das mich aus der Fassung brachte, weil ich es nur fühlen und nicht hören konnte. Als ich seinen Ursprung bestimmen wollte, konnte ich nur feststellen, daß es aus meinem Inneren kam.
Seltsam.
Ich konnte entweder versuchen, es zu ignorieren, oder es zu verstehen, oder es mit einzubauen. Meine Wahl fiel auf die letzte Möglichkeit, und ich konzentrierte mich auf das Geräusch. Einen
Dragaeraner hätte seine Einfachheit ungeduldig gemacht, aber ich fand den Rhythmus ziemlich
anziehend, beruhigend. Drüben in seiner Heimat, hatte mein Großvater mir erzählt, wurden häufig Trommeln für Beschwörungen verwendet. Das konnte ich mir vorstellen. Ich ließ mich hineinfallen und wartete, bis meine Haut mitfühlend erzitterte.
Dann streckte ich die rechte Hand langsam,
behutsam nach den Kräutern und Maskottchen aus, die ich an die Seite gelegt hatte. Sie berührte etwas, und 70
ich hob es auf, hielt es mir, ohne den Kopf zu bewegen, vor die Augen. Ein Petersilienzweig. Den legte ich in die Mitte der Rune. Mit der linken Hand wiederholte ich diesen Vorgang, und jetzt brachte er mir einen Klumpen Dreck aus der östlichen Heimat meiner Vorväter.
Der Klumpen würde Rückkehr und Sicherheit
untermauern; was die Petersilie in diesem
Zusammenhang bewirken sollte, wußte ich nicht. Über ihr zerbröselte ich den Dreckklumpen. Hinter die Rune stellte ich eine einzelne weiße Kerze, die ich ebenfalls ohne hinzusehen aufgehoben hatte. Ich entzündete sie vorsichtig mit einem Feuerstein und einem
Papierschnipsel. Eine einzelne Kerze leuchtet sehr hell, wenn sie die einzige Lichtquelle vor dem schwachen Schein des Nachthimmels ist.
In dem Augenblick habe ich den Horizont vor mir bemerkt, der angefangen hatte, ins Flackern und Wabern zu geraten, scheinbar zum Wummern nicht vorhandener Trommeln zu tanzen. Ich beschloß, mich davon nicht über Gebühr verstören zu lassen.
Wartend bedachte ich mein weiters Vorgehen.
Der unermeßlich reiche Mann fuhr seinen Wagen den Hügel hinauf zu der Behausung. Diese bestand eigentlich nur aus einem einzelnen rötlichen Steingebilde, von dem die eine Hälfte unterirdisch lag, die andere einen Turm
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