Taltos
Dzurlords, die diesen Weg genommen haben?«
»Sethra«, gab er zurück.
Ich blinzelte. »Ich dachte, sie ist eine Dragon.«
Morrolan zuckte die Achseln und wandte sich ab, dann entfernten wir uns noch weiter von den Fällen. Wir stießen auf eine weitere seichte Stelle am Fluß, der mittlerweile eine Biegung machte, und ich erkannte einen stilisierten Chreotha, später dann einen Hawk, dann einen Dragon. Dort blieb Morrolan eine Weile stehen, und ich zog mich zurück, damit er Raum für seine Gefühle hatte, wie immer die auch aussehen mochten. Seine Hand, die den Stab mit irgendeiner Gestalt der Seele seiner Cousine umklammerte, wurde ganz weiß.
Loiosh verbarg sich noch immer unter meinem
Umhang, und mir fiel auf, daß die gewaltigen Jheregs weiter über uns kreisten, ab und an konnten wir sogar ihre Schreie hören. Dann kam Morrolan zu mir, und wir starrten beide in die dunklen, wirbelnden Fluten. Vögel zwitscherten herum, und die Luft war klar und sehr frisch. Ein ruhiger, friedvoller Ort war das, und mir schien, als wäre dieser Effekt beabsichtigt, wenn ich auch keine Ahnung hatte, wie. Dennoch hat er ganz 151
sicher seinen Zweck erfüllt.
Morrolan meinte: »Die Dragon verwenden gewöhnlich Boote.«
Ich nickte und versuchte, mir ein kleines Fischerboot vorzustellen, dann eine Barke, wie sie am
Dämmerungsfluß oberhalb des Hafens fährt, und
schließlich ein Ruderboot, was mir am sinnvollsten vorkam. Ich sah es vor mir, wie es den Fluß hinabtrieb bis zum Wasserfall, dann ging es über die Klippen und war fort.
»Was geschieht dann?« fragte ich.
Morrolan sagte: »Am Ende kommt die Leiche unter den Fällen am Ufer zur Ruhe. Nach ein paar Tagen erwacht die Seele und nimmt an sich, was immer sie Nützliches am Körper finden kann, dann beginnt die Reise zu den Hallen des Jüngsten Gerichts. Diese Reise kann Stunden dauern oder Wochen. Manchmal dauert sie ewig. Es hängt davon ab, wie gut sich die Person die Pfade für ihr Haus eingeprägt hat, als sie noch am Leben war, und davon, wem die Person auf dem Weg begegnet und wie sie damit umgeht.« Er schwieg eine Weile. »Wir könnten auf einige treffen, die seit Ewigkeiten auf den Pfaden wandeln. Ich hoffe nicht. Ich stelle mir das deprimierend vor.«
»Und was ist mit uns?« wollte ich wissen.
»Wir werden neben den Wasserfällen hinabklettern.«
»Hinabklettern?«
»Ich habe ein Seil.«
»Oh«, machte ich. »Na, dann ist es ja gut.«
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Seit fast einem Jahr war ich jetzt in der Organisation, und allmählich fühlte ich mich im stillen wohl bei dem, was ich tat. Ich konnte Leuten ohne ein Wort zu sagen Angst einjagen, nur durch eine erhobene Augenbraue oder ein Lächeln, das reichte schon. Kragar und ich arbeiteten auch gut zusammen. Wenn die Zielperson gewalttätig wurde, stand ich immer nur da und sah zu, wie Kragar sie anfiel, meistens von hinten. Dann fügte ich ihr für gewöhnlich eine kleinere Verletzung zu und hielt eine Rede über Pazifismus.
Das alles klappte gut, und das Leben lief
hervorragend, bis wir von einem Kerl namens Tiev erfuhren, der in einer Gasse hinter einer Taverne gefunden wurde. Nun ist es zwar manchmal möglich, wenn auch kostspielig, eine Leiche zurück ins Leben zu befördern. Tiev war jedoch hinten in den Nacken gestochen worden, dabei wurde sein Rückgrat
durchtrennt, und Zauberer konnten nichts mehr mit ihm anfangen. Als er getötet wurde, hatte er etwa zwanzig Imperials bei sich, und dieses Geld fand sich auch noch bei der Leiche.
Tiev hatte, wie ich hörte, für einen Kerl namens Rolaan gearbeitet, und die Spatzen pfiffen von den Dächern, daß Tiev auch Auftragsmorde erledigt hatte.
Rolaan war ziemlich mächtig, und Kragar erwähnte, daß ein anderer mächtiger Kerl namens Welok, die Klinge, Tievs Ermordung angeordnet hatte. Das war für mich eine wichtige Information, denn mein Boß arbeitete für Welok – jedenfalls vermutete man, daß er Welok einen gewissen Prozentsatz seiner Einnahmen abtrat.
Eine Woche darauf wurde jemand namens Lefforo auf ähnliche Weise getötet wie Tiev. Lefforo unterstand Welok direkt und war darüber hinaus auch noch jemand, den ich bereits kennengelernt hatte, also ging es langsam 153
ans Eingemachte. Die Leute im Quartier von meinem Boß machten einen nervösen Eindruck, und mein Boß deutete mir gegenüber an, daß es keine gute Idee wäre, wenn ich alleine herumspazierte. Ich konnte mir zwar nicht vorstellen, welchen Nutzen jemand aus meinem Ableben ziehen konnte,
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