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Taltos

Taltos

Titel: Taltos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Brust
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angemessene Reaktion in
    Flüchen bestand, die ich still in mich hineinmurmelte.
    Ich hatte es heute erledigen wollen, was im nachhinein natürlich dämlich war, aber irgendwie hatte ich das Gefühl, daß das Geld solange nicht wirklich mir gehören würde, bis ich meine Arbeit erledigt hätte, und ich konnte es gut gebrauchen. Zum Beispiel würde ich in eine schönere Wohnung ziehen können, meine Fechtstunden bei einem Meister aus dem Ostreich bezahlen, die Zauberlektionen bei einem Dragaeraner, die ja nie so ganz billig sind, die –
    Nein, jetzt nicht. Jetzt mußte ich erst einmal darüber nachdenken, wie ich es mir verdienen sollte, nicht wie ich es ausgeben würde. Ich kehrte zurück in meine Wohnung und überlegte.

    Wenn ich mich das nächste Mal irgendwo abseile, dann sollte der Ort besser schön trocken sein. Außerdem würde ich gerne bis auf den Boden sehen können.
    Wenn ich es recht bedenke, würde ich es am liebsten überhaupt nicht nochmal tun.
    Ich will erst gar keine Vermutungen anstellen, wie weit wir klettern mußten. Wahrscheinlich war es für Morrolan anders als für mich, aber das interessiert mich 160
    nicht. Zugegeben, ich bin neugierig, was passiert wäre, wenn wir Markierungen am Seil angebracht hätten, aber das haben wir nicht.
    Das Herabklettern machte nicht den geringsten Spaß.
    Ich bin ständig an dem nassen Seil abgerutscht, und ich hatte Angst, daß ich auf Morrolan fallen und uns beide in den Abgrund schicken würde. Erst pochten meine Hände, weil ich das Seil umklammert hielt, dann taten sie weh, dann konnte ich sie gar nicht mehr spüren, und das machte mir angst. Dann fiel mir auf, daß meine Arme wund wurden. Von den blauen Flecken und Blutergüssen an den Armen und Beinen, die unablässig gegen die Steinwand knallten, will ich erst gar nicht sprechen. Ich schaffte es, mir nicht allzu häufig oder zu heftig den Kopf einzuschlagen, was unter den gegebenen
    Umständen eine ziemliche Leistung war, wie ich finde.
    Blödsinn. Sagen wir einfach, ich hab’s überlebt.
    Die Sache war die: man konnte unmöglich ausmachen, wo nun der Boden war, weil die erste Stelle, auf die meine Füße trafen, nicht nur rutschig war, sondern auch noch abschüssig, wie eine schräge Plattform, also lief ich einfach weiter.
    Danach wurde es aber etwas leichter, und schließlich stand ich im Wasser und Morrolan neben mir. Das Wasser war sehr kalt. Meine Zähne klapperten, und die von Morrolan auch, aber es war zu kalt, um sich darüber zu freuen. Loiosh kletterte mir wütend auf die Schulter.
    Noch immer war das Getöse ohrenbetäubend, jedes Stück meines Körpers durchnäßt, und meine Hände schmerzten wie Hölle, weil ich das Seil so fest umklammert hatte.
    Ich ging zu Morrolan und brüllte ihm ins Ohr: »Was jetzt?«
    Er wies mit dem Kopf eine Richtung an und paddelte 161
    los. Nachdem ich mit dem Seil schon fast eine
    symbiotische Beziehung eingegangen war, fiel es mir schwer, es loszulassen, aber ich schaffte es und platschte hinter ihm her. Loiosh schlug mit den Flügeln und blieb direkt über meinem Kopf. Die Gischt, die der Wasserfall aufwirbelte, machte es unmöglich, weiter als ein paar Schritte zu sehen. Aber die Strömung war so stark, daß sie Morrolan und mich irgendwie zusammenhielt, so daß ich ihn nie aus den Augen verlor.
    Ich war zu sehr damit beschäftigt, gegen sie
    anzuschwimmen und mit Morrolan Schritt zu halten, als daß ich die dem Ort angemessene Angst hätte verspüren können, aber eigentlich hat es gar nicht so lange gedauert, bis meine Füße den Boden des Flusses
    berührten, und dann krochen wir auch schon ans Ufer und brachen dort Seite an Seite zusammen.
    162

    Meine linke Hand bewegte sich nicht mehr, und ein Teil von mir war sich bewußt, daß sie über der Rune schwebte. Die rechte schwankte weiterhin richtungslos; dann hielt auch sie inne. Direkt über dem bebenden Messer.
    Zeit, einmal tief durchzuatmen, was ich auch langsam tat.

    Ich glaube nicht, daß ich jemals wieder so viele Leichen an einem Ort sehen werde. Will ich auch gar nicht. Sie alle befanden sich in unterschiedlichen Stadien der Verwesung. Ich enthalte mich der Einzelheiten, wenn’s recht ist. Ich kenne Leichen, und die pure Masse und Vielfalt machen sie nicht eben ansehnlicher.
    Allerdings sollte ich etwas anmerken, das komisch war: es roch nicht nach Verfall. Als ich darüber nachdachte, stellte ich sogar fest, daß der einzige wahrnehmbare Geruch leicht schweflig war und vom Fluß herüberzog,

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