Tamir Triad 02 - Die verborgene Kriegerin
Heilerin zu sein, sollten die schrecklichen Schmerzen zurückkehren. Wer wusste, wie viele Zauberer Niryn in dieser Nacht noch verbrennen würde?
Die Drysierin half ihr die schlammige Straße hinab zu einer kleinen Hütte am Rand des Dorfes und bettete sie dort auf eine weiche Liegestatt am Feuer. Nach Namen wurde weder gefragt, noch wurden sie mitgeteilt.
Während Iya dort lag, war sie froh über die dichten Bänder von Schutzsymbolen, die in die Balken geschnitzt waren, und über die herabhängenden Zauberbeutel. Sakor mochte in Skala mit dem Lichtträger im Krieg liegen, aber der Erschaffer wachte immer noch unvoreingenommen über alles.
Dennoch fand Iya in jener Nacht wenig Trost darin. Jedes Mal, wenn der Schlaf sie ereilte, träumte sie von der Seherin in Afra. Das Mädchen schaute mit leuchtend weißen Augen zu ihr auf und sprach mit der Stimme des Lichtträgers.
Dies muss enden.
In der Vision sank Iya vor ihr weinend auf das Gesicht.
K APITEL 25
In den Monaten seit Iyas Abreise hatte Arkoniel die Straße nach Alestun regelmäßig hoffnungsvoll beobachtet. Der Frühling war ohne Besucher verstrichen. Mittlerweile brannte der Sommer die Weide braun, und immer noch ließen nur Händler und Tobins Boten Staub über die Bäume aufwirbeln.
Es war ein weiterer sengend heißer Sommer gewesen; selbst das Tal um Alestun, dem seit Jahren die schlimmsten Auswirkungen der laufenden Dürren erspart geblieben waren, wurde nicht mehr verschont. Die Ernte verwelkte auf den Feldern, und junge Kälber und Lämmer verreckten auf den Weiden. Der Fluss schrumpfte zu einem plätschernden Rinnsal zwischen ausgedörrtem, gesprungenem, stinkendem Schlamm und abgestorbenen Wasserpflanzen. Arkoniel begnügte sich erneut mit lediglich einem Leinenschurz, und die Frauen liefen in ihren Hängekleidern umher.
Eines späten Nachmittags im Lenthin arbeitete er gerade im Küchengarten und half Köchin, den letzten vergilbten Lauch auszugraben, als Nari aus einem Fenster im ersten Stock zu ihm herabbrüllte. Ein Mann und ein Junge kamen die Straße herauf.
Arkoniel richtete sich auf und wischte sich den Dreck von den Händen. »Kennst du sie?«
»Nein, es sind Fremde. Ich gehe sie begrüßen.«
Als Arkoniel jedoch am Tor Ausschau hielt, erkannte er den vierschrötigen, graubärtigen Mann, der neben Nari ging, nicht hingegen den kleinen Jungen, der zwischen dem Gepäck auf dem alten Pferd mit eingesunkenem Rücken kauerte, das der Mann führte.
»Kaulin von Getni!«, rief Arkoniel aus, überquerte die Brücke und ging ihnen entgegen. Es war zehn Jahre oder länger her, seit er beobachtet hatte, wie Iya dem Mann einen ihrer Kieseltalismane gab. Damals war Kaulin alleine gewesen. Sein kleiner Gefährte sah aus, als wäre er höchstens acht oder neun Jahre alt.
»Iya hat mir verraten, dass ich dich hier finden würde«, sagte Kaulin und reichte ihm die Hand. Er bedachte den schmutzigen Lendenschurz und die sonnengebräunte Brust des jüngeren Zauberers mit einem belustigten Blick. »Bist wohl Bauer geworden, wie?«
»Ab und an«, erwiderte Arkoniel lachend. »Ihr seht aus, als hättet ihr eine anstrengende Reise hinter euch.«
Kaulin hatte schon immer zerlumpt gewirkt, doch es war der Junge, der Arkoniel Sorgen bereitete. Er schien zwar gesund und war braun wie ein Äffchen, aber er hielt den Blick auf den staubigen Widerrist des Pferdes gerichtet, als sich ihm Arkoniel näherte, und der Zauberer las in jenen großen, graugrünen Augen mehr Angst als Scheu.
»Und wer bist du?«, fragte Nari und lächelte zu dem Kind empor.
Der Junge schaute weder auf, noch antwortete er.
»Hat eine Krähe deine Zunge gestohlen?«, neckte sie ihn. »Ich habe herrlich kühlen Apfelsaft in der Küche. Möchtest du welchen?«
»Sei nicht unhöflich, Wythnir«, schalt sein Meister den Knaben, als dieser das Gesicht abwandte. Dann packte Kaulin das Kind am Rücken der zerlumpten Jacke und hob es vom Pferd wie einen Sack mit Äpfeln. Wythnir versteckte sich rasch hinter den Beinen des Mannes und steckte einen Finger in den Mund.
Kaulin blickte mit finsterer Miene auf ihn hinab. »Ist schon gut, Junge. Geh mit der Frau.« Als sich Wythnir nicht rührte, packte Kaulin ihn an den Schultern und schob ihn nicht allzu sanft zu Nari. »Tu, was man dir sagt!«
»Das ist unnötig«, meinte Nari scharf und ergriff die Hand des Kindes. Dann sagte sie in sanfterem Tonfall zu dem Knaben: »Komm mit, Wythnir. Köchin bäckt gerade leckere Küchlein, und du
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