Tamir Triad 02 - Die verborgene Kriegerin
beigebracht? Davonzulaufen und in der Dunkelheit zu flennen?«
»Nein.« Kis Stimme zitterte, aber er nahm stramme Haltung ein. Blut rann ihm aus der Nase und sammelte sich in den spärlichen Barthaaren an seiner Oberlippe. »Es tut mir leid, Tharin.«
»Hör mir gut zu, Ki. Tobin hat keine Ahnung, was ihm bevorsteht. Alles, woran er im Augenblick denken kann, ist die Angst, dass sich seine Freunde von ihm abwenden werden. Dass du dich von ihm abwenden wirst. Davor fürchtet er sich mehr als vor allem anderen. Und genau das hast du gerade gemacht, oder?«
Ki stöhnte laut auf. »Bei Bilairys Hintern. Er denkt …? Oh, verdammt noch mal, Tharin, ich bin nicht deshalb weggerannt!«
»Dann solltest du wohl besser zurückgehen und ihm das sagen.« Tharin trat beiseite, und Ki raste hinaus, zurück zu Tobin. Tharin blieb, wo er war, und wartete ab, dass ein plötzlicher Anflug von Zittrigkeit ihn verließ. Seine Hand brannte, wo er Ki getroffen hatte; er spürte das Blut des Jungen an den Fingern.
Mühsam unterdrückte er einen gequälten Fluch, als er sich die Hand am Mantel abwischte. Ob göttlicher Wille oder nicht, es war ein beschwerlicher Weg, der ihnen allen vor so vielen Jahren bereitet worden war.
Ki konnte nur wenige Minuten weg gewesen sein, dennoch erschien es Tobin wie eine Ewigkeit, bis sein Freund alleine aus der Scheune zurückkam. Ki trat dicht vor ihn hin und umarmte ihn innig, dann kniete er sich hin und bot ihm sein Schwert dar.
»Was machst du da, Ki? Steh auf! Du blutest ja …«
Ki erhob sich und fasste ihn an den Schultern. »Es tut mir leid, dass ich weggerannt bin. Du hast mich überrascht, das ist alles. Zwischen uns hat sich nichts geändert.« Mit bebendem Kinn zögerte er, während er suchend in Tobins Antlitz blickte. »So ist es doch, oder?«
Tobins Stimme erklang nicht allzu fest, als er Ki erneut umarmte. »Du bist mein bester Freund. Daran kann nichts etwas ändern.«
»Dann ist ja alles gut.« Ki entfuhr ein zittriges Lachen, als er einen Schritt zurücktrat und Tobin die Hände reichte.
Tobin bemerkte das Glitzern unvergossener Tränen in seinen Augen. »Du wirst mich doch nicht verlassen, Ki, oder?«
Ki verstärkte den Griff und bedachte ihn mit einem inbrünstigen Lächeln. »Nicht, solange noch ein Atemzug in mir steckt!«
Tobin glaubte ihm und fühlte sich so erleichtert, dass er nicht wusste, was er erwidern sollte. »Dann ist wirklich alles gut«, brachte er schließlich hervor. »Ich denke, jetzt sollten wir weiterziehen.«
K APITEL 52
Als sie weiterritten, versuchte Tobin, nicht daran zu denken, was vor ihm lag. Kis anfängliches Verhalten hatte ihn mehr verängstigt, als es eine Schlacht je vermocht hätte. Er glaubte dem Treuegelübde seines Freundes, aber während des langen Rittes ertappte er Ki mehr als einmal dabei, dass er verwirrte Blicke auf ihn warf, als versuchte er, die Fremde unter Tobins geborgter Haut zu sehen.
Ich will mich nicht verändern, dachte Tobin elend. Er blickte zu den fernen Gipfeln, die sich schwarz vor den Sternen abzeichneten, und fragte sich, wie es wäre, einfach von allem wegzureiten – vom Krieg, von der Stadt, von seinen Freunden, von seinem Schicksal.
Doch es blieb ein flüchtiger Gedanke. Er war ein Krieger Skalas und ein Prinz königlichen Geblüts. So sehr er sich fürchten mochte, er würde weder Schande über sich bringen, noch jene verraten, die er liebte.
Sein Name und sein Siegel verschafften ihnen unterwegs frische Pferde, und sie verbreiteten die Kunde vom feindlichen Einfall in das Land bei jedem Halt. Bei Sonnenaufgang geriet das Meer wieder in Sicht, und eine Stunde nach Mittag trafen sie in Atyion ein.
Am Tor der Ortschaft zügelte Tharin das Pferd und rief zu den Wachen auf den Mauern: »Öffnet, im Namen von Prinz Tobin, dem Herrn über Atyion. Der Prinz ist zurückgekehrt!«
»Ero wird von Plenimar belagert«, erklärte Tobin den erschrockenen Wachen, sobald sie sich im Inneren befanden. »Verbreitet die Kunde. Jeder Krieger hat sich vorzubereiten, um mit mir zurückzumarschieren. Nein, wartet!«, rief er, als die Männer loslaufen wollten. »Auch die Frauen; alle, die für Skala kämpfen wollen, sind unter dem Banner Atyions willkommen. Ist das klar?«
»Ja, mein Prinz!«
»Ruft alle dazu auf, sich auf dem Schlosshof zu versammeln.«
»Gut gemacht, Tobin«, murmelte Arkoniel.
Sie eilten weiter durch die Ortschaft, mussten jedoch feststellen, dass die Zugbrücke jenseits des Schlossgrabens
Weitere Kostenlose Bücher