Tamir Triad 02 - Die verborgene Kriegerin
Eine niedrige Steinmauer umgab es. Das Tor hing offen auf den Angeln.
»Vorsichtig, Jungs«, murmelte Tharin.
Doch der Ort erwies sich als verlassen. Die Scheunentore standen offen, die Koppeln waren verwaist.
»Bei Bilairys Hintern!«, stieß Ki hervor, als er mit leeren Händen aus den Ställen zurückkehrte. »Sie müssen die Tiere davongetrieben haben, um sie nicht dem Feind zu überlassen.«
Tharin seufzte. »Dann können wir nur weitergehen.«
Sie hatten gerade das Tor erreicht, als sie plötzlich das Heulen einer heftigen Bö vernahmen.
Überrascht schaute Tobin auf. Die Nacht war still, und kaum eine Brise regte sich.
Das Geräusch schwoll an, dann endete es jäh, als keine zehn Schritte von ihnen entfernt aus dem Nichts eine große, dunkle Masse auftauchte, zu Boden fiel und über die Erde rollte, bis sie gegen einen Wassertrog prallte.
Tobin wollte darauf zugehen, aber Tharin hielt ihn zurück. Ki und Luchs näherten sich dem Schemen vorsichtig und mit gezückten Schwertern.
»Ich glaube, es ist ein Mann!«, rief Luchs.
»Ja, und er lebt«, fügte Ki hinzu.
»Ein Zauberer?«, fragte Tobin.
»Oder etwas Schlimmeres«, murmelte Tharin und stellte sich vor ihn.
Der seltsame Reisende rappelte sich langsam auf die Knie, dann streckte er die Hände von sich, um zu zeigen, dass er unbewaffnet war. Ki stieß einen überraschten Schrei aus. »Tobin, das ist Arkoniel!«
»Bei Sakor, regnet es heute Zauberer?«, knurrte Tharin.
Tobin rannte los und half Arkoniel auf die Beine. Statt seines üblichen Mantels mit Kapuze trug er die lange Schaffellweste eines Hirten und einen Filzhut, den er mit einem Kopftuch festgebunden hatte. Lederhandschuhe bedeckten seine Arme fast bist zu den Ellbogen. Er war außer Atem und zitterte wie ein Mann mit Fieber.
»Wie bist du hierher gelangt?«, fragte Tobin.
Arkoniel stützte sich an Tobins Schulter ab, da er noch wackelig auf den Beinen war. »Ein Zauber, an dem ich arbeite. Er ist noch nicht makellos, aber ich scheine samt Armen und Beinen angekommen zu sein.«
»Hast du schlechtes Wetter erwartet?«, fragte Ki und beäugte den lachhaft anmutenden Hut.
»Nein, nur eine schlimme Reise. Wie ich schon sagte, der Zauber ist noch nicht ganz fehlerfrei Ich bin nie sicher, ob ich in einem Stück ankomme oder nicht.« Arkoniel zog den linken Handschuh aus und zeigte ihnen sein gebrochenes Gelenk. »Dasselbe, das ich mir am Tag meiner Ankunft in der Feste gebrochen habe, erinnerst du dich?« Mit den Zähnen zog er den rechten Handschuh aus und löste das Kopftuch, das den Hut festhielt.
»Wie hast du uns gefunden?«, wollte Tharin wissen.
»Dafür könnt ihr Iya und Eyoli danken. Sie haben mich benachrichtigt. Tobin, ich glaube, das hier wirst du brauchen.« Arkoniel nahm den Hut ab und schüttelte Tobins alte Lumpenpuppe daraus hervor. »Trenn dich nie mehr von ihr.«
Tobin stopfte sie in seinen geriffelten Mantel. Luchs starrte ihn dabei an. »Kannst du laufen?«
Arkoniel strich seine zerknitterten Kleider glatt. »Ja, man wird bloß ein wenig schwindelig davon, zweimal in einer Nacht auf diese Weise zu reisen. Ich kann nicht behaupten, dass ich es empfehle.« Er sah sich um. »Keine Pferde?«
»Nein«, erwiderte Tharin. »Du kennst nicht zufällig einen Zauberspruch dafür?«
Arkoniel zwinkerte ihm zu. Er holte seinen Kristallstab hervor, zeichnete etwas mit rotem Licht in die Luft, dann steckte er zwei Finger in den Mund und stimmte einen schrillen Pfiff an. »Sie kommen gleich.«
Ki und Luchs gingen erneut in die Scheune. Als die beiden mit Sätteln zurückkehrten, hörten sie von der Straße her das Geräusch von Hufen, die sich im Galopp näherten. Wenig später donnerten zehn Pferde auf den Hof, hielten rings um Arkoniel an und beschnupperten seinen Gürtel und seine Weste.
»Du bist ein recht nützlicher Bursche geworden, seit wir uns zuletzt gesehen haben«, meinte Tharin lachend.
»Danke. Es waren ein paar lehrreiche Jahre.«
Arkoniel nahm Tobin beiseite, während die anderen die Pferde sattelten. »Ich vermute, du weißt, was das alles zu bedeuten hat, oder?«
Tobin nickte.
»Gut. Ich denke, es wäre das Beste, wenn deine Freunde es erfahren.«
»Tharin weiß es bereits.«
»Hast du es ihm gesagt?«
»Nein, Lhel.«
Arkoniel legte Tobin die heile Hand auf die Schulter. »Du hast sie gesehen! Wo ist sie?«
»Ich habe sie nicht gesehen. Sie ist Tharin in einer Art Vision erschienen.«
Arkoniel erschlaffte, und Tobin sah die tiefe Enttäuschung
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