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Tamuli 1 - Die schimmernde Stadt

Tamuli 1 - Die schimmernde Stadt

Titel: Tamuli 1 - Die schimmernde Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Eddings
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vorstellen?«
    »Ich dachte schon, du würdest nie dazu kommen!«
    »Majestät«, wandte Oscagne sich an Ehlana, »das ist mein alter Freund Norkan. Er ist der kaiserliche Gesandte hier in Atan, ein fähiger Mann, der nur ein wenig in Ungnade gefallen ist.«
    Norkan verbeugte sich. »Majestät.«
    »Exzellenz.« Ehlana lächelte verschmitzt. »Sind die Füße Ihrer Hoheit wirklich so groß?«
    »Sie braucht keine Schneeschuhe, wenn sie im Winter durch den Wald stapfen will, Majestät. Damit könnte ich mich ja noch abfinden, aber wenn sie ihren Kopf nicht durchsetzen kann, bekommt sie Wutanfälle, und das halte ich nicht aus.« Er blickte auf die dunkelgewandeten Ataner um die Karosse. »Dürfte ich vorschlagen, daß wir uns zu dem Gebäude begeben, das meine Kinder ›Schloß‹ zu nennen belieben? Der König und die Königin erwarten uns.« Er blickte zu Ehlana hoch. »Wäre es Eurer Majestät möglich, eine Rede zu halten? Ein paar Worte wären angebracht.«
    »Ich spreche leider kein Tamulisch, Exzellenz.«
    »Macht nichts, Majestät. Ich werde für Euch übersetzen. Ihr braucht nur zu sagen, was Euch gerade in den Sinn kommt. Ich werde dann schon die rechten Worte für Euch finden.«
    »Wie gütig von Euch«, antwortete Ehlana mit einem kaum merklichen Hauch von Zorn.
    »Stets Euer Diener, Majestät.«
    »Wirklich erstaunlich, Norkan, wie es dir immer wieder gelingt, ins Fettnäpfchen zu treten!« murmelte Oscagne.
    »Es ist angeboren«, erwiderte Norkan schulterzuckend.
    König Androl von Atan war sieben Fuß groß, und seine Gemahlin, Königin Betuana, nur um weniges kleiner. Sie waren schlichtweg imposant. Statt Kronen trugen sie goldene Helme, und unter ihren tiefblauen Seidenumhängen waren sie schwer bewaffnet. Sie erwarteten die Königin von Elenien und ihr Gefolge auf dem Platz vor dem Königsschloß, das im Grunde genommen nichts weiter als ihre private Behausung war. Atanische Zeremonien wurden offenbar immer im Freien abgehalten.
    Mit der Karosse der Königin an der Spitze und ihrer bewaffneten Eskorte in Formation hinter ihr betraten die Besucher in feierlichem Schritt den Platz. Es gab keine Jubelrufe, kein Fanfarenschmettern, nichts von der geheuchelten Begeisterung üblicher Staatsempfänge. Ataner zeigten ihre Achtung durch Stille und reglose Haltung. Stragen lenkte die Kutsche geschickt zu der nur leicht erhöhten Plattform vor der königlichen Behausung, und Sperber saß ab, um seiner Gemahlin den stahlumhüllten Arm zu reichen. Ehlanas Gesicht strahlte auf dezente, majestätische Weise. Ihre Freude war ganz offensichtlich nicht nur vorgetäuscht. Obwohl sie hin und wieder ein wenig abfällig über zeremonielle Pflichten sprach und sie als anstrengend und ermüdend hinstellte, liebte Ehlana sie im Grunde genommen und nahm sie außerordentlich wichtig.
    Botschafter Oscagne schritt auf das Königspaar von Atan zu, verbeugte sich und hielt in der fließenden, melodischen Sprache der Tamuler eine Rede. Mirtai stand hinter Ehlana und übersetzte leise.
    Ehlanas Augen glänzten, und ihre Alabasterwangen röteten sich – Zeichen, die deutlicher als Worte verrieten, daß sie eine Rede formulierte.
    König Androl sagte nur ein paar knappe Worte zur Begrüßung, denen Königin Betuana sich ein wenig ausführlicher anschloß. Sperber konnte Mirtais Übersetzung nicht hören, und nach allem, was er verstand, hätte das Königspaar sich ebensogut über das Wetter auf dem Mond unterhalten können.
    Dann trat Ehlana vor, ließ ein paar spannungsgeladene Augenblicke verstreichen und begann mit klarer Stimme zu sprechen, daß es über den ganzen Platz zu hören war. Botschafter Norkan stand neben der steinernen Plattform und übersetzte ihre Worte.
    »Meine liebe Schwester und mein lieber Bruder von Atan«, begann sie. »Worte können meine von Herzen kommende Freude über diese Begegnung nicht ausdrücken.« Sperber kannte seine Gemahlin; deshalb wußte er, daß es nicht der Wahrheit entsprach. Worte konnten Ehlanas Gefühle sehr wohl ausdrücken, und das würde sie auf diesem Platz auch deutlich machen. »Ich komme vom fernen Ende der Welt zu diesem glücklichen Treffen«, fuhr sie fort, »und mein Herz war von Sorge erfüllt, während ich über die schäumende See zu einem fremden Land voll fremder Menschen segelte. Doch Eure gütigen Worte freundlicher, ja liebevoller Begrüßung haben mir meine kindlichen Ängste genommen, und ich habe hier etwas gelernt, das mich mein Leben lang begleiten wird: Es gibt

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