Tamuli 1 - Die schimmernde Stadt
sie kletterten über ihre blutenden Artgenossen hinweg.
Sperber, Vanion, Kalten und Tynian kamen bereits zum zweitenmal in die vorderste Reihe. Wieder rammten sie ihre Lanzen in anstürmende Gegner, knickten die Schäfte mit gekonnter Drehung des Arms und scherten zu beiden Seiten aus.
»Dein Plan geht offenbar recht gut auf«, beglückwünschte Kalten seinen Freund. »Zumal die Pferde zwischen den Angriffen Zeit haben, sich auszuruhen.«
»So war es gedacht«, versicherte Sperber ihm fast ein bißchen selbstgefällig, während er sich aus dem Gestell am Ende der Kolonne eine frische Lanze nahm.
Das Gewitter hatte sie nun fast erreicht. Der Wind fuhr heulend durch die Bäume, und Blitze zuckten blendend aus den blauschwarzen Wolken.
Da erschallte aus dem Wald ein ungeheuerliches Brüllen.
»Was, in Gottes Namen, war das?« rief Kalten. »Nichts kann so laut sein!«
Was immer es gewesen war – es mußte gewaltig sein. Es bahnte sich durch den Wald einen Weg auf sie zu. Der tobende Wind trug einen pestilenzialischen Gestank mit sich, als er gegen die geschlossenen Visiere der Ritter peitschte.
»Das stinkt ja wie in einem Beinhaus!« rief Tynian, um über das Tosen des Sturms und den Lärm der Schlacht hinweg gehört zu werden.
»Habt Ihr eine Ahnung, was das ist, Vanion?« fragte Sperber.
»Nein«, antwortete der Hochmeister. »Aber es muß gigantisch sein. Größer als alles, was mir je begegnet ist.«
Bald fiel der Regen in dichten Schleiern, hinter denen die anstürmenden Trolle nur undeutlich zu sehen waren.
»Weitermachen!« brüllte Sperber. »Nicht nachlassen!«
Der methodische Angriff wurde fortgesetzt, während die Trolle stumpfsinnig durch den Schlamm vor die Lanzen der Ritter watschelten. Die Strategie war erfolgreich, doch es hatte Verluste gegeben. Einige Pferde waren durch Prügelhiebe verwundeter und tobender Trolle niedergestreckt worden, und mehrere Ritter lagen reglos auf dem aufgeweichten Boden.
Plötzlich erstarb der Wind, und der Regen ließ nach, als die Stille im Auge des Sturms über ihnen war.
»Was ist das?« rief Tynian. Er deutete auf irgend etwas, das sich hinter den kreischenden Trollen befand.
Es war ein einzelner Funke, heller als die Sonne, und er schwebte dicht über dem Waldrand. Plötzlich schwoll er bedrohlich an, und ein Strahlenkranz aus grellem, rötlichem Licht umgab ihn.
»Da ist etwas im Innern!« rief Kalten.
Sperber blinzelte angestrengt in das grelle Pupurlicht, welches das Schlachtfeld erhellte. »Es ist lebendig«, sagte er angespannt. »Es bewegt sich!«
Die Kugel aus purpurnem Licht wuchs schneller und schneller; und lodernde, orangefarbene Flammen zuckten aus ihr hervor.
Und in der Mitte dieser flammenden Kugel stand jemand – jemand in einem Kapuzengewand, in grünes Feuer gehüllt. Der Vermummte hob eine Hand, öffnete sie weit – und ein Blitz zuckte aus der Handfläche. Ein anstürmender cyrinischer Ritter und sein Pferd wurden durch den Blitz in verkohlte Stücke gerissen.
Und dann erschien hinter diesem sengenden Licht eine gewaltige Kreatur. Es war unvorstellbar, daß etwas Lebendes so groß sein konnte. Der Schädel war der eines Reptils. Das Wesen war riesig, ohrlos, schuppengepanzert und besaß eine lippenlose krokodilähnliche Schnauze mit ungezählten Zahnreihen. Der Hals der Kreatur war kurz; sie hatte schmale Schultern und winzige Vorderpfoten. Den Rest des ungeheuren Körpers verbargen gnädigerweise die Bäume.
» Dagegen sind wir machtlos!« rief Kalten bestürzt.
Der Vermummte im Innern des purpurnen Feuerballs hob erneut den Arm. Und wieder schoß ein Blitz aus der offenen Handfläche – und explodierte mitten in der Luft in einem Funkenregen.
»Habt Ihr ihn abgewehrt?« brüllte Vanion Sperber zu.
»Nein, Vanion, so schnell bin ich nicht.«
Plötzlich hörten sie im Rücken eine tiefe, hallende Stimme in styrischer Sprache rezitieren. Sperber riß Faran herum.
Es war Zalasta. Der silberhaarige Styriker stand ein gutes Stück über der Talsohle auf dem steilen Nordhang der Klamm. Sein weißes Gewand schimmerte in der Düsternis des Unwetters. Er hatte beide Arme über den Kopf erhoben, und sein Stab, dem Sperber bisher keine Bedeutung beigemessen hatte, leuchtete grell. Zalasta senkte den Stab, dann deutete er damit auf den Vermummten in der Strahlenkugel. Ein blendender Funke schoß aus der Stabspitze, zuckte knisternd über die Köpfe der Peloi und Ordensritter hinweg, traf die feurige Kugel und explodierte in einem
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