Tamuli 1 - Die schimmernde Stadt
Untergrund einer jeden Großstadt gibt es eine eigene Welt«, erklärte er. »Die Welt der Diebe, Einbrecher, Straßenräuber, Bettler, Huren, Betrüger und Meuchler. Sie leben schlecht und recht davon, sich an der übrigen Gesellschaft zu bedienen.«
»Natürlich wissen wir, daß es solche Leute gibt«, versicherte Sarabian ihm. »Deshalb haben wir schließlich Stadtwachen und Gefängnisse.«
»Ja, Majestät, das sind einige der unbedeutenden Ungelegenheiten im Leben Krimineller. Weitgehend unbekannt ist jedoch für gewöhnlich die Tatsache, daß die Verbrecher der ganzen Welt in bestimmtem Maße zusammenarbeiten.«
»Fahrt fort.«
Stragen wählte seine Worte mit Bedacht. »Ich hatte bereits vor einiger Zeit Verbindung zu diesen Leuten, Majestät. Sie können sehr nützlich sein. Es gibt in einer Stadt so gut wie nichts, das nicht jemandem zu Ohren kommt, der zur Unterwelt gehört. Wenn man diesen Leuten klarmachen kann, daß man sich nicht für ihre Machenschaften interessiert, sind sie normalerweise bereit, einem die Information zu verkaufen, an die sie gekommen sind, auf welche Weise auch immer.«
»Eine geschäftliche Vereinbarung also?«
»Genau. Ähnlich wie der Ankauf gestohlener Ware. Es ist nicht gerade moralisch, aber keineswegs unüblich.«
»Ja, natürlich.«
»Nun, diese Bereitschaft zur Zusammenarbeit, die ich erwähnte, gibt es hier in Matherion nicht. Aus irgendeinem Grund arbeiten die tamulischen Gauner nicht zusammen. Jeder Berufszweig bleibt strikt für sich – Diebe, Betrüger, Meuchler und so weiter. Sie haben hier sogar eigene Gilden gebildet, und jede hat nur Verachtung und Mißtrauen für alle anderen übrig. Wir müssen diese Mauern niederreißen, wenn uns die tamulischen Halsabschneider von Nutzen sein sollen.«
»Das leuchtet mir ein, Durchlaucht.«
Stragen war sichtlich erleichtert. »Ich habe gewisse Vorbereitungen getroffen, Majestät«, gestand er. »Die Führer der verschiedenen Unterwelt-Gilden werden hierherkommen. Sie haben gewaltige Ehrfurcht vor Euch und werden gehorchen, wenn Ihr ihnen etwas befehlt.« Er machte eine Pause. »Natürlich nur, solange Ihr ihnen nicht befehlt, ehrliche Menschen zu werden.«
»Natürlich. Schließlich kann man von niemandem verlangen, daß er seinen Beruf aufgibt.«
»Eben. Aber Ihr könnt ihnen befehlen, Majestät, diese Kastenschranken niederzureißen und endlich miteinander zu reden. Wenn die Gauner von Nutzen sein sollen, müssen sie bereitwillig Informationen an eine zentrale Sammelstelle liefern. Wenn wir mit jedem Gildenführer getrennt Verbindung aufnehmen müßten, wäre die Information überholt, bevor sie uns erreicht.«
»Ja, gewiß. Verbessert mich, falls ich etwas falsch verstanden habe, Durchlaucht Stragen. Ihr wollt also, daß ich die Verbrecher von Matherion organisiere, so daß sie im Austausch gegen nicht näher bestimmte Informationen, die sie vielleicht auf der Straße aufschnappen – oder auch nicht –, ehrliche Bürger wirkungsvoller ausbeuten können. Habe ich das richtig verstanden?«
Stragen wand sich. »Ich hatte befürchtet, daß Ihr es so sehen würdet.«
»Keine Angst, Durchlaucht Stragen. Ich bin durchaus bereit, mit diesen loyalen Ganoven zu reden. Der Ernst der gegenwärtigen Krise ist größer als meine natürliche Abscheu vor Geschäften mit Gaunern und Halunken. Verratet mir, Durchlaucht, seid Ihr ein guter Dieb?«
»Ich glaube, ich habe Euch unterschätzt, Majestät.« Stragen seufzte. »Ja, ich bin sogar ein sehr guter Dieb. Ich möchte wirklich nicht, daß Ihr mich für unbescheiden haltet, aber ich bin vermutlich der beste Dieb der Welt.«
»Wie läuft das Geschäft?«
»In letzter Zeit nicht so gut, Kaiser Sarabian. Unruhige Zeiten sind schlecht fürs Verbrechen. Ehrliche Menschen werden nervös und schützen ihre Wertsachen besser. Ach, noch etwas, Majestät. Die Kriminellen, zu denen Ihr sprechen werdet, werden allesamt Masken tragen. Sie haben außerordentliche Hochachtung vor Euch, möchten ihre Gesichter jedoch lieber vor Euch verbergen.«
»Ich glaube, das kann ich verstehen. Ehrlich gesagt, freue ich mich darauf, mit Euren Kollegen zu sprechen, Stragen. Wir werden unsere Köpfe zusammenstecken und nach Möglichkeiten suchen, die Behörden zu umgehen.«
»Das ist keine so gute Idee, Majestät«, warf Talen ein. »Laßt einen Dieb nie näher als zehn Schritte an Euch heran.« Er hob die Hand und zeigte Sarabian ein edelsteinbesetztes Armband.
Der verdutzte Kaiser blickte rasch auf
Weitere Kostenlose Bücher