Tamuli 1 - Die schimmernde Stadt
Ordensritter hatte ihn während der vergangenen Wochen mehrmals am Schloßtor abgeholt und zur Königin geführt, um die Torwachen mit seinem Gesicht vertraut zu machen, doch heute hatte Caalador zum erstenmal versucht, sich allein Zutritt zu verschaffen. »Habt Ihr etwas Interessantes für uns, Meister Caalador?« fragte Zalasta.
Caalador runzelte die Stirn. »Ich bin mir nicht ganz sicher, Weiser. Wir hören immer wieder etwas recht Merkwürdiges.«
»Ach?«
»Alle möglichen Leute reden von einem geheimnisvollen ›Verborgenen Land‹. Da es die Leute sind, die wir beobachten, dachten wir, es könnte möglicherweise etwas Wichtiges sein.«
»Das ist höchst ungewöhnlich«, murmelte Zalasta. »Man sollte eigentlich nicht erwarten, auf der Straße davon zu hören.«
»Dann bedeutet es tatsächlich etwas?«
Zalasta nickte. »Es ist ein alter tamulischer Ausspruch, der etwas mit dem Leben des Geistes zu tun hat. ›Der Weg zum Verborgenen Land ist weit, aber der Lohn für die Mühe sind Schätze von unbezahlbarem Wert.‹«
»Ganz genau, Weiser. Wenn sich zwei auf der Straße treffen, zitiert einer den ersten Teil und der andere den zweiten.«
Zalasta nickte. »Ja, das ist der alte tamulische Ausspruch. Mit den Schätzen sind die des Wissens und der Erkenntnis gemeint. In diesem Fall schließe ich jedoch auf eine andere Bedeutung. Habt Ihr es auch schon von Nichttamulern gehört?«
Caalador nickte. »Zwei elenische Kaufleute haben sich gestern an einer Straßenecke mit diesem Spruch begrüßt.«
»Das hört sich ganz wie eine Losung an«, sagte Vanion nachdenklich.
»Es wäre nicht ratsam, sich jetzt ganz auf eine solche Sache zu konzentrieren und alles andere außer acht zu lassen«, mahnte Zalasta vorsichtig.
»Oh, so viel Aufwand ist's auch wieder nicht«, beruhigte Caalador ihn. »Ich hab' keinen Mangel an Bettlern und Huren und Taschendieben. Ein Überangebot an Fachkräften, wenn Ihr so wollt.«
Ulath zog die Brauen zusammen. »Ich bin mir nicht sicher«, sagte er, »aber mir ist, als hätte ich vor ein paar Tagen zwei Schloßwachen über das ›Verborgene Land‹ sprechen hören. Da sind möglicherweise mehr Leute in die Sache verwickelt, als wir dachten.«
Vanion nickte. »Vielleicht bringt es uns nicht weiter, aber schaden kann es auch nicht, wenn wir die Ohren offenhalten. Falls Caalador über die Losung der anderen Seite gestolpert sein sollte, könnte es uns helfen, Verschwörer zu erkennen, die wir ansonsten übersehen würden. Stellen wir eine Liste auf. Tragen wir die Namen all dieser Leute zusammen, die nach dem ›Verborgenen Land des Geistes‹ hungern und dürsten. Falls das wirklich die Parole sein sollte und irgendeine Verbindung zu dem erkennbar ist, wonach wir suchen, wird diese Namensliste sehr hilfreich sein.«
»Ihr hört Euch fast schon wie ein Scherge an, Hochmeister Vanion«, sagte Talen ein wenig vorwurfsvoll.
»Kannst du mir je verzeihen?«
»Ach, übrigens, ich habe an der Universität einen alten Freund gesehen.« Bevier lächelte leicht. »Baron Kotyks Schwager ist nach Matherion gekommen, um die Studenten zeitgenössischer Literatur mit seinen schauderhaften Machwerken zu berieseln.«
»Wäre ›quälen‹ nicht das passendere Wort dafür, Bevier?« warf Ulath ein. »Ich habe einige von Elrons ›Gedichten‹ gehört.«
»Wer ist Elron?« erkundigte sich Sephrenia.
Sperber wechselte einen langen Blick mit Emban. Sie waren noch durch das Versprechen gebunden, das sie Erzmandrit Monsel gegeben hatten. »Äh …«, begann Sperber, ohne recht zu wissen, was er sagen sollte. »Er ist ein Asteler – eine Art Halbedelmann, der sich einbildet, ein begnadeter Poet zu sein. Wir wissen nicht, inwieweit er mit den Unruhen in Astel zu tun hat, aber seine Meinung und seine Sympathien deuten darauf hin, daß er ein tatkräftiger Anhänger des als Säbel bekannten Aufrührers ist.«
»Ist es nicht ein merkwürdiger Zufall, daß er die Reise nach Matherion zur selben Zeit gemacht hat, als wir das Gefühl bekamen, daß auf den Straßen etwas faul ist?« fragte Tynian. »Warum reist er ausgerechnet zum kulturellen Zentrum der gottlosen gelben Teufel, die er angeblich so verabscheut?«
»Ungewöhnlich«, bestätigte Ulath.
»Alles Ungewöhnliche ist verdächtig«, warf Kalten ein.
»Das ist eine krasse Verallgemeinerung«, meinte Sperber.
»Stimmt es etwa nicht?«
»In diesem Fall hast du möglicherweise recht. Wir sollten besser ein Auge auf Elron haben. Talen, hol deinen
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