Tamuli 1 - Die schimmernde Stadt
sein rechtes Handgelenk.
»Nur eine kleine Demonstration, Majestät.« Talen grinste. »Ich hatte nicht vor, das Armband zu behalten.«
»Gib ihm auch das übrige zurück, Talen!« wies Stragen den Jungen an.
Talen seufzte. »Eure Augen sind widerwärtig scharf, Stragen.« Er griff in sein Wams und zog ein paar weitere Kleinodien hervor. »Das beste ist, Ihr habt gar nicht erst irgendwelche Wertsachen bei Euch, Majestät, wenn Ihr mit Dieben redet«, riet er ihm.
»Ihr seid sehr geschickt, Talen«, sagte Sarabian.
Talen zuckte bescheiden die Schultern. »Ist alles nur Fingerfertigkeit.«
»Ich mag euch Elenier wirklich«, gestand Sarabian. »Tamuler sind humorlose, langweilige Leute, ihr dagegen steckt voller Überraschungen.« Er lächelte Melidere an. »Und welche erstaunlichen Enthüllungen habt Ihr für mich, Baroneß?«
Sie erwiderte sein Lächeln. »Nichts wirklich Überraschendes, Majestät. Mein häufiges Hin- und Hertrippeln hat mir einige ziemlich vorhersehbare Anträge eingebracht, sowie mehrere blaue Flecken am Gesäß. Tamuler zwicken offenbar viel mehr als Elenier. Ich achte jetzt immer darauf, meinen Rücken dicht an der Wand zu halten. Ich persönlich habe nichts dagegen einzuwenden, von einem hübschen jungen Burschen in seiner Begeisterung ein wenig gekniffen zu werden, aber es dauert ziemlich lange, bis die Blutergüsse verblassen.«
Nun blickten alle auf Berit. Der junge Pandioner errötete heftig. »Ich kann leider nichts berichten, meine Damen und Herren«, murmelte er.
»Berit«, sagte Ehlana sanft. »Es ist nicht schön, wenn Ihr uns anlügt.«
»Es war wirklich nichts von Bedeutung, Majestät. Bestimmt nur ein Mißverständnis, Majestät – wahrscheinlich, weil ich nicht gut genug Tamulisch spreche.«
»Was ist denn geschehen, mein junger Freund?« fragte Sarabian.
»Na ja, Majestät, es war Eure Gemahlin, die Kaiserin Elysoun – die mit der ungewöhnlichen Gewandung.«
»Ja, ich kenne sie.«
»Nun, Majestät, sie sprach mich auf einem Korridor an und bemerkte, daß ich müde aussähe – vermutlich, weil ich die Augen geschlossen hielt.«
»Warum habt Ihr das getan?«
»Äh … nun, ihre Gewandung ist …, Ihr versteht schon, Majestät. Ich hielt es für unhöflich, sie anzuschauen.«
»In Elysouns Fall ist es unhöflich, es nicht zu tun. Sie ist sehr stolz auf ihre Schönheit und mag es, wenn die Leute Anteil daran nehmen.«
Berit errötete noch tiefer. »Wie … wie auch immer«, fuhr er fort, »sie sagte, ich sähe müde aus, und dann machte sie mich darauf aufmerksam, daß sie ein sehr bequemes Bett in ihrem Gemach habe, das ich benutzen dürfe, um mich auszuruhen.«
Kalten hörte dem jugendlichen Ritter mit offenem Munde neidvoll zu. »Was hast du zu ihr gesagt?« fragte er atemlos.
»Nun, ich habe ihr natürlich gedankt und ihr versichert, daß ich … eigentlich gar nicht müde sei.«
Kalten vergrub das Gesicht in den Händen und ächzte.
»Na, na.« Ulath schlug ihm tröstend auf die Schulter.
27
»Wißt Ihr, Majestät, dieses Zeug ist ja recht hübsch, daran besteht kein Zweifel, aber es hat überhaupt keinen praktischen Wert.« Caalador überreichte Ehlana ein Paar Elfenbeinfigürchen.
»Sie sind wunderschön, Caalador!« sagte sie strahlend.
»Ist der Gardist endlich weg?« flüsterte Caalador Sperber zu.
Sperber nickte. »Mirtai hat ihn soeben durch die Tür geschoben.«
»Ich hatte schon befürchtet, wir hätten ihn den ganzen Tag auf dem Hals.«
»Habt Ihr Schwierigkeiten gehabt, hereinzukommen?« fragte Ehlana den Diebeskönig.
»Nicht die geringsten, Majestät.«
»Das will ich auch hoffen – nach allem, was ich in Bewegung gesetzt habe!« Sie betrachtete die Figürchen genauer. »Sie sind wirklich wunderschön, Caalador«, wiederholte sie. »Woher habt Ihr sie?«
»Ich ließ sie aus dem Universitätsmuseum stehlen.« Er zuckte die Schultern. »Es sind Tegans aus dem neunten Jahrhundert – sehr selten und sehr wertvoll.« Er grinste Ehlana spitzbübisch an. »Da Ihr eine Vorliebe für Antiquitäten habt, Majestät, muß es schon was Echtes sein.«
Baroneß Melidere führte die Gefährten in die königliche Gemächerflucht.
»Irgendwelche Probleme?« fragte Stragen seinen Kollegen.
»Bin leichter hier hereingekommen als ein Wiesel in ein Hühnerhaus.«
Caalador arbeitete offiziell als ›Beschaffer von Antiquitäten‹ für Königin Ehlana und sollte auf ihren Befehl hin jederzeit zu ihr vorgelassen werden. Der eine oder andere
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