Tamuli 1 - Die schimmernde Stadt
Majestät«, sagte Oscagne. »Trotz des kleinen Gespräches, das Ihr mit ihm hattet, werdet Ihr ihm jede Information wahrscheinlich einzeln aus der Nase ziehen müssen. Er hält es immer noch für seine oberste Pflicht, Euch den Schmerz schlechter Neuigkeiten zu ersparen.«
»Wenn mein Haus brennt, wüßte ich über diesen schmerzlichen Umstand aber lieber Bescheid!« sagte Sarabian heftig.
»Ich habe Informanten in den anderen Ministerien, Majestät. Ich werde sie darauf ansetzen. Übrigens, da wir gerade dabei sind – im Innenministerium gehen eine Menge Meldungen über Zwischenfälle ein. Die Zahl dieser Berichte steigt dramatisch. Kolata ist mit seiner Weisheit am Ende.«
»Kolata?« fragte Sperber.
»Der Innenminister«, erklärte Sarabian. »Der Polizeioberste des Reichs. Ihm gelingt es fast so gut wie Subat, mich im dunkeln zu lassen. Was macht ihm so zu schaffen, Oscagne?«
»Die Leichenäcker haben ihre Toten ausgespien, Majestät! Jemand hat kürzlich Verstorbene ausgegraben und wiederbelebt. Sie schlurfen stöhnend und mit leerem Blick umher. Ganze Ortschaften in Edom wurden ihretwegen verlassen. In Dakonien streunen Werwölfe in Rudeln umher; in den Urwäldern von Arjuna schwärmen Vampire herum wie Zugvögel; und die Leuchtenden terrorisieren die Gegend um Dasan. Nimmt man hinzu, daß in Nordatan die Trolle auf dem Marsch sind, und die Stadt Sarna bereits zweimal von Angreifern gestürmt wurde, bei denen es sich um Cyrgai zu handeln scheint, dann können wir daraus nur eines schließen: die Dinge spitzen sich zu. Bisher waren diese Unruhen sporadisch und örtlich begrenzt. Jetzt gibt es sie überall.«
»Großartig«, brummte Sarabian mißmutig. »Ich glaube, ich werde mich irgendwohin ins Exil begeben.«
»Dann würdet Ihr den ganzen Spaß versäumen, Majestät«, sagte Sperber.
»Welchen Spaß?«
»Wir haben noch gar nicht angefangen, Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Vielleicht können wir nicht allzuviel gegen Vampire und dergleichen ausrichten, sehr wohl aber gegen die Trolle und die Cyrgai. Engessa bildet die hiesigen Ataner in einigen elenischen Taktiken aus. Ich glaube, dann könnten sie durchaus mit den Trollen und den Cyrgai fertig werden.«
Sarabian wirkte erstaunt. »Atan Engessa ist der Kommandant der Canaer Garnison in Astel. Er hat hier in Matherion keine Befehlsgewalt.«
»O doch, die hat er durchaus, Majestät«, widersprach Sperber. »Soviel ich weiß, besitzt er eine Sondervollmacht von König Androl oder wohl eher von Königin Betuana. Andere atanische Befehlshaber wurden angewiesen, Engessas Empfehlungen zu folgen.«
»Warum erfahre ich diese Dinge nie?«
»Imperiale Politik, Majestät.« Oscagne lächelte. »Wenn Ihr zu viel wüßtet, würdet Ihr Euch vielleicht in die Regierungsgeschäfte einmischen.«
»Jedenfalls«, fuhr Sperber fort, »war Engessa sehr beeindruckt von unseren Taktiken bei den Kämpfen auf dem Weg hierher. Wir haben einige seiner Ataner in westlichen Techniken ausgebildet.«
»Das überrascht mich«, gestand Sarabian. »Ich hätte nicht gedacht, daß Ataner auf irgend jemanden hören, wenn es um militärische Dinge geht.«
»Engessa ist Berufssoldat, Majestät«, erklärte Sperber. »Berufssoldaten sind immer an Fortschritten in Waffentechnik und Taktik interessiert. Es ist uns gelungen, ein paar sehr kräftige Pferde für einige seiner Ataner zu beschaffen, und Kalten und Tynian haben ihnen Unterricht im Gebrauch der Lanze erteilt. Das ist die sicherste Kampfesweise gegen Trolle. Bevier bildet einen anderen Trupp im Bau und der Bedienung von Belagerungsmaschinen aus. Als wir vor Sarsos auf diese Cyrgai stießen, haben Beviers Katapulte ihre Phalanx zerschmettert. Es ist sehr schwierig, eine militärische Formation aufrechtzuerhalten, wenn es Felsbrocken auf einen herabhagelt. Ach, da ist noch etwas, das Ihr wissen solltet. Khalad hat vor der Stadt einen Baum entdeckt, der mit Stahlbolzen gespickt war. Da hat jemand mit einer Armbrust geübt.«
»Was ist eine Armbrust?« fragte Sarabian.
»Eine lamorkische Waffe, Majestät.« Sperber zeichnete eine grobe Skizze. »Sie sieht etwa so aus. Die Arme dieser Waffe sind viel stärker als die eines gewöhnlichen Langbogens, deshalb hat sie eine größere Reichweite und Durchschlagskraft. Eine Armbrust ist eine ernste Bedrohung für einen gepanzerten Ritter. Jemand hier in Matherion versucht den Vorteil wettzumachen, den uns unsere Rüstung bietet.«
»Allmählich habe ich das Gefühl, daß ich nur noch
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