Tamuli 1 - Die schimmernde Stadt
parkähnlichen Garten.
»Hast du eine Karosse aufgetrieben?« fragte Sperber Bevier.
Der Cyriniker nickte. »Sie ist groß genug für unseren Zweck«, erklärte er ein wenig zögernd, »aber Patriarch Emban bekommt vermutlich graue Haare, wenn er den Preis hört.«
»Da wäre ich mir nicht so sicher«, beruhigte Sperber ihn. »Fragen wir Emban.« Sie überquerten den schotterbedeckten Hof, um zum Patriarchen von Uzera zu gelangen, der neben seinem Pferd stand und sich mit einem Ausdruck tiefsten Elends an den Sattelknauf klammerte.
»Angenehmer Ritt, nicht wahr, Eminenz?« wandte Sperber sich gutgelaunt an den Dicken.
Emban stöhnte. »Ich glaube, ich werde mindestens eine Woche lang nicht gehen können!«
»Wir sind bisher sehr gemütlich geritten«, fuhr Sperber fort. »Wenn wir erst in Tamuli sind, werden wir viel schneller vorankommen müssen.« Er machte eine Pause. »Darf ich offen zu Euch sprechen, Eminenz?«
»Das werdet Ihr sowieso, Sperber«, brummte Emban. »Oder würdet Ihr Rücksicht darauf nehmen, wenn ich's Euch verwehrte?«
»Wahrscheinlich nicht. Ihr haltet uns auf, wißt Ihr.«
»Ihr nehmt wirklich kein Blatt vor den Mund, Sperber.«
»Ihr habt nicht die richtige Statur für einen Reiter, Patriarch Emban. Eure Vorzüge sind im Kopf, nicht im Gesäß.«
Embans Pupillen verengten sich feindselig. »Nur weiter so«, sagte er drohend.
»Da wir in Eile sind, haben wir beschlossen, Euch Räder zu besorgen. Würdet Ihr Euch in einer gepolsterten Karosse wohler fühlen, Eminenz?«
»Sperber, ich könnte Euch küssen!«
»Ich bin verheiratet, Eminenz. Meine Gemahlin könnte das mißverstehen. Aus Sicherheitsgründen ist eine Karosse besser als zwei. Deshalb nahm ich mir die Freiheit, ein Gefährt zu beschaffen, das etwas größer ist als die Karosse, in der Ehlana von Chyrellos hierherkam. Es macht Euch doch nichts aus, mit ihr zu fahren, nicht wahr? Wir würden Euch und Botschafter Oscagne gern in der Karosse mit der Königin und ihrem Gefolge unterbringen. Ist Euch das recht?«
»Wollt Ihr, daß ich den Boden küsse, auf dem Ihr steht, Sperber?«
»Oh, das ist nicht nötig, Eminenz. Ihr müßt lediglich die Genehmigung für den Kauf der Karosse unterzeichnen. Es ist schließlich eine dringende Kirchenangelegenheit, die eine solche Anschaffung rechtfertigt. Meint Ihr nicht?«
»Wo soll ich unterschreiben?« fragte Emban ungeduldig.
»Eine Karosse dieser Größe ist teuer, Eminenz«, warnte Sperber.
»Ich würde sogar die Basilika verpfänden, nur um nicht mehr im Sattel sitzen zu müssen!«
»Siehst du«, sagte Sperber zu Bevier, als sie davonschlenderten. »Das war gar nicht so schlimm, oder?«
»Woher hast du gewußt, daß er so schnell einverstanden sein wür de?«
»Es war der richtige Zeitpunkt, Bevier. Später wäre ihm der Preis vielleicht zu hoch gewesen. Aber der Leidende zahlt jeden Preis für die Erlösung.«
»Du bist ein herzloser Bursche, Sperber.« Bevier lachte.
»Das habe ich im Lauf der Zeit schon von allen möglichen Leuten gehört«, versicherte Sperber ihm grinsend.
»Meine Männer werden heute damit fertig, Eure Ausrüstung und Vorräte für die Reise aufs Schiff zu schaffen, Sperber«, versicherte ihm Graf Lycien, als sie zum Dorf am Fluß ritten, wo sich die Anlegestellen befanden. »Ihr könnt mit der Morgenflut auslaufen.«
»Ihr seid ein wahrer Freund, Graf Lycien«, bedankte sich Sperber. »Ihr seid immer für uns da, wenn wir Euch brauchen.«
»Ihr übertreibt mit Eurem Lob, Ritter Sperber.« Lycien lachte. »Ich mache mit der Versorgung Eurer Schiffe einen ordentlichen Profit.«
»Es freut mich immer, wenn meine Freunde es zu etwas bringen.«
Lycien blickte über die Schulter auf die Königin von Elenien, die ein Stück weiter hinten auf einem grauen Zelter saß.
»Ihr müßt der glücklichste Mann auf der Welt sein, Sperber«, meinte er. »Eine schönere Frau als Eure Gemahlin habe ich nie gesehen!«
»Ich werde ihr nicht verheimlichen, daß Ihr das gesagt habt, Graf Lycien. Es wird sie gewiß freuen.«
Ehlana und Emban hatten beschlossen, Sperber und Lycien auf ihrem Ausritt zu begleiten. Ehlana wollte die Räumlichkeiten auf dem Schiff begutachten und Emban die Karosse, die er erstanden hatte.
Die Flotte an Lyciens Anlegestellen bestand aus einem Dutzend gut ausgestatteter Schiffe. Verglichen mit ihnen wirkten die in der Nähe vertäuten Kauffahrer schäbig.
Der Fluß funkelte in der Vormittagssonne. Lycien zeigte ihnen die Ortschaft, die
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