Tamuli 1 - Die schimmernde Stadt
Bruders und in der Genugtuung, daß diese beiden Trutschen nie die Lichter von Darsas sehen werden. Dafür sorge ich! Sie werden in diesem Dreckstall dahinvegetieren – bis zu dem Moment, da mein Gemahl, dieses Mastschwein, sich zu Tode gefressen oder gesoffen hat. Und dann werfe ich sie hinaus, mit nicht mehr als dem, was sie am Leibe tragen!« In ihre harten Augen trat ein Leuchten. »Ich kann es kaum erwarten!« stieß sie hervor. »Dann hab' ich meine Rache, und ich und mein begnadeter Bruder werden hier in vollkommener Harmonie leben.«
Prinzessin Danae kletterte auf den Schoß ihres Vaters. »Reizende Leute, nicht wahr?« murmelte sie.
»Erfindest du das alles?« fragte er argwöhnisch.
»Nein, Vater, das kann ich nicht. Das kann keiner von uns. Menschen sind, was sie sind. Wir können sie nicht ändern.«
»Ich dachte, du kannst alles.«
»Es gibt Grenzen, Sperber.« Ihre dunklen Augen wurden hart. »Aber etwas werde ich tun.«
»Ach?«
»Dein elenischer Gott schuldet mir ein paar Gefälligkeiten. Ich hab' ihm einmal eine Gunst erwiesen.«
»Wozu brauchst du seine Hilfe?«
»Diese Leute sind Elenier. Sie gehören ihm. Ohne seine Erlaubnis kann ich ihnen nichts antun. Das wäre die unverzeihlichste Form von schlechtem Benehmen.«
»Ich bin Elenier, und mir tust du was an.«
»Du bist Anakha, Sperber. Du gehörst niemandem!«
»Das ist deprimierend. Gibt es keine lenkende Hand eines Gottes für mich?«
»Du brauchst niemanden, der dich lenkt. Einen guten Rat manchmal – ja. Aber Führung – nein.«
»Stelle hier bloß nichts Aufsehenerregendes an!«, warnte Sperber. »Wir wissen nicht, was uns in Tamuli erwartet. Es ist besser, wenn wir keine Aufmerksamkeit erregen, solange es sich vermeiden läßt.« Doch dann übermannte ihn seine Neugier. »Bisher hat noch niemand irgend etwas Aufschlußreiches gesagt.«
»Dann halt die Ohren offen, Sperber. Du wirst ganz bestimmt noch etwas hören!«
»Was möchtest du denn, daß Gott diesen Leuten antut?«
»Nichts«, antwortete sie. »Gar nichts. Ich werde ihn nicht bitten, die Lebensumstände dieser Herrschaften zu ändern. Ich möchte nur, daß er sie alle recht, recht lange leben läßt.«
Sperber ließ den Blick um den Tisch und über die verdrossenen Gesichter der Familie ihres Gastgebers schweifen. »Du willst sie hier gefangenhalten«, tadelte er sie. »Du willst fünf Personen, die einander verachten, für alle Ewigkeit aneinanderketten, damit sie sich nach und nach gegenseitig in Stücke reißen?«
»Nicht in alle Ewigkeit, Sperber«, berichtigte das kleine Mädchen. »Obwohl es ihnen wahrscheinlich so vorkommen wird.«
»Das ist grausam!«
»Nein, Sperber. Das ist Gerechtigkeit. Diese Leute verdienen einander. Ich möchte nur dafür sorgen, daß sie viel Zeit haben, die Gesellschaft der anderen zu genießen.«
Stragen beugte sich über Sperbers Schulter. »Was haltet Ihr davon, ein bißchen frische Luft zu schnappen?« fragte er.
»Es regnet doch.«
»Nur Wasser.«
»Also gut. Ist vielleicht gar keine so schlechte Idee.« Sperber erhob sich, trug seine wieder schlafende Tochter zurück ins Wohngemach und legte sie auf den Diwan, wo Murr schnurrend döste und mit ihren krallenbewehrten Pfoten hingebungsvoll eines der Kissen bearbeitete, wie Kätzchen es beim Säugen bei der Mutter tun. Sperber deckte die beiden zu und folgte Stragen auf den Korridor. »Seid Ihr beunruhigt?« fragte er den Thalesier.
»Nein, angewidert. Ich hatte es schon mit einigen der unangenehmsten Menschen auf der Welt zu tun, und ich bin selbst kein Heiliger, aber diese Familie …« Er schüttelte sich. »Habt Ihr Euch einen Giftvorrat zugelegt, als Ihr in Rendor wart?«
»Ich halte nichts von Gift.«
»Dann seid Ihr ein wenig kurzsichtig, alter Junge. Gift ist eine saubere Methode, unerträgliche Personen loszuwerden.«
»Wenn ich mich recht erinnere, war Annias derselben Meinung.«
»Das hatte ich vergessen«, gab Stragen zu. »Ich kann mir denken, daß Annias Euch nicht gerade ein leuchtendes Vorbild ist, obwohl Gift eine sehr praktische Lösung unangenehmer Probleme sein kann. Aber irgend etwas sollte gegen diese Ungeheuer in Menschengestalt unternommen werden!«
»Das wird geschehen.«
»Ach? Und wie?«
»Das darf ich leider nicht sagen.«
Sie traten hinauf auf eine breite Veranda, die über die gesamte Rückseite des Hauses verlief, lehnten sich an die Brüstung und schauten hinaus auf den schlammigen Hinterhof.
»Sieht gar nicht so aus, als würde
Weitere Kostenlose Bücher