Tamuli 2 - Das leuchtende Volk
wurde sichtbar. Er zog seinen Degen. »Wir haben Schweigen geboten!« donnerte er.
Vollkommene Stille setzte ein.
»Den nächsten, der Uns unterbricht, heften Wir wie einen Schmetterling an die Wand!« warnte Sarabian und schwang seinen Degen durch die Luft. Das Sirren der Waffe klang bedrohlich. Er blickte seine eingeschüchterten Beamten an. »So ist es schon besser. Bleibt so!« Er setzte die Degenspitze leicht auf den Boden und verschränkte die Hände auf dem Knauf. »Unsere Familie hat sich Jahrhunderte darauf verlassen, daß die Ministerien sich der täglichen Regierungsgeschäfte annehmen. Unser Vertrauen wurde offensichtlich mißbraucht. In Friedenszeiten habt Ihr Euer ohnehin geringes Arbeitspensum – gerade noch – bewältigt, aber sobald sich eine Krise ergab, seid Ihr herumgerannt wie Ameisen und wart mehr darauf bedacht, Euer Vermögen und Eure persönlichen Privilegien zu schützen, und Ihr habt Eure kleinlichen Rivalitäten innerhalb der Regierung ausgetragen, statt Euch um das Wohl des Imperiums zu sorgen – und das , meine Herren, scheint Ihr alle vergessen zu haben! Es ist Unser Imperium. Unsere Familie hat dieser Tatsache nicht viel Gewicht beigemessen, aber Wir finden, es ist an der Zeit, Euch daran zu erinnern! Ihr dient Uns ! Ihr habt Uns zu achten und nicht auf persönlichen Vorteil.«
Alle Beamten starrten den Mann an, den sie stets als harmlosen Exzentriker betrachtet hatten. Sperber bemerkte eine Bewegung nahe der Mitte des Thronsaals. Er ließ den Blick zurück zur vorderen Reihe schweifen und stellte fest, daß Teovins Platz auffallend leer war. Der Leiter der Geheimpolizei war klüger und viel schneller als seine Kollegen und scherte sich in diesem Fall auch nicht um seine Würde: auf allen vieren kroch er hastig zum nächsten Ausgang. Finanzminister Gashon, der dürr, kreidebleich und mit aufgestellten Haaren neben Teovins leerem Stuhl saß, starrte Sarabian in panischer Angst an.
Sperber blickte rasch zu Vanion. Der Hochmeister nickte. Auch er hatte den kriechenden Geheimpolizisten bemerkt.
»Als Wir erkannten, daß Wir derart beschränkte Männer für die Verwaltung Unseres Imperiums gewählt hatten«, fuhr Sarabian fort, »wandten Wir Uns ratsuchend an Zalasta von Styrikum. Wenn es jemanden gibt, der für übernatürliche Dinge zuständig ist, dann ein Styriker. Zalasta riet, Uns mit der Bitte um Unterstützung an Erzprälat Dolmant von der Kirche von Chyrellos zu wenden und um direkte Hilfe durch Prinz Sperber zu ersuchen. Wir Tamuler sind stolz auf unseren Scharfsinn und unser hohes geistiges Niveau, aber Wir können Euch versichern, daß wir im Vergleich mit den Eleniern Kinder sind. Der Staatsbesuch Unserer teuren Schwester Ehlana diente der Verschleierung der Tatsache, daß wir ihren Gemahl, Ritter Sperber, hier benötigten. Königin Ehlana und Wir amüsierten uns damit, Euch zu täuschen – und wahrlich, Ihr wart leicht zu täuschen! –, während Prinz Sperber und seine Gefährten die Wurzeln des Aufruhrs hier in Tamuli suchten. Wie erwartet, reagierten unsere Feinde darauf.«
An einer der Seitentüren kam es zu einer flüchtigen, kaum wahrnehmbaren Störung. Vanion und Khalad hinderten den Leiter der Geheimpolizei mit großer Entschiedenheit daran, den Saal zu verlassen.
»Habt Ihr irgendwo eine dringende Verabredung, Teovin?« fragte Sarabian spöttisch.
Teovin starrte seinen Kaiser wütend und mit unverhohlenem Haß an.
»Solltet Ihr unzufrieden mit Uns sein, Teovin, sind Wir nur zu gern bereit, Euch Satisfaktion zu geben.« Sarabian schwang unmißverständlich seinen Degen. »Bitte kehrt auf Euren Platz zurück. Unsere Sekundanten werden sich nach Beendigung dieser Sitzung an Euch wenden.«
Vanion faßte den Leiter der Geheimpolizei unsanft am Arm und deutete auf den leeren Platz, dann setzte er ihn mit einem derben Stoß in Bewegung.
»Diese langatmige Einführung beginnt Uns zu langweilen«, erklärte Sarabian. »Also möchten Wir zur Sache kommen. Der versuchte Staatsstreich hier in Matherion war die unmittelbare Reaktion auf Ritter Sperbers Ankunft. Die verschiedenen Unruhen, welche die Ataner in den vergangenen Jahren von einem Ende des Kontinents zum anderen hetzten, hatten eine einzige Ursache. Wir haben einen ganz persönlichen Feind, und er hat eine gewaltige Verschwörung angezettelt mit dem Zweck, die Regierung zu stürzen und Uns den Thron zu entreißen. Und er fand unter Unseren angeblich so treuen Dienern viele bereitwillige Helfer.«
Einige
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