Tamuli 2 - Das leuchtende Volk
»Stragen und Caalador schlagen vor, daß wir all diese Verschwörer, Spione und dergleichen gar nicht erst verhaften, sondern ermorden lassen.«
»Was?« rief Sarabian.
»Das war eine sehr ungeschliffene Formulierung, Sperber!« beklagte sich Stragen.
»Ich bin ein ungeschliffener Mann.« Sperber zuckte die Schultern. »Ehrlich gesagt, halte ich dieses Vorgehen für angebracht. Vanion hat allerdings noch seine Schwierigkeiten damit.« Er lehnte sich ebenfalls zurück. »Mit der Gerechtigkeit ist es so eine Sache. Es geht dabei nur zum Teil um die Bestrafung Schuldiger, hauptsächlich dient sie der Abschreckung. Durch eine möglichst drastische öffentliche Bestrafung festgenommener Halunken sollen die Leute davon abgehalten werden, Verbrechen zu begehen. Aber, wie Stragen zu bedenken gab, wissen die meisten Verbrecher, daß sie wahrscheinlich nie erwischt werden. Polizei und Gerichte tun im Grunde genommen nichts weiter, als sich wichtig zu machen. Erhaltung von Arbeitsplätzen, nennt man das. Stragen schlägt vor, daß wir Polizei und Gerichte umgehen und schon in einer der kommenden Nächte die Mörder ausschicken. Am Morgen darauf würde jeder, der auch nur entfernt mit Zalasta und seinen verfemten Styrikern zusammengearbeitet hat, mit durchschnittener Kehle aufgefunden werden. Wenn wir eine Abschreckung wollen, wäre das die wirkungsvollste Methode. Es gäbe weder Freisprüche noch Gnadengesuche oder gar Begnadigungen. Falls wir es durchführen wie vorgeschlagen, werden im gesamten tamulischen Imperium alle Personen, die auch nur in Gedanken mit Hochverrat gespielt haben, Alpträume bekommen, was die Folgen dieses Verbrechens betrifft. Ich billige diesen Vorschlag allerdings nur aus taktischen Gründen. Die Gerechtigkeit überlasse ich den Gerichten – oder den Göttern. Mir gefällt die Idee deshalb, weil sie Zalasta erheblichen Schaden zufügen würde. Er ist Styriker, und Styriker versuchen für gewöhnlich, durch Täuschungsmanöver und Betrug zu bekommen, was sie wollen. Zalasta hat ein sehr kunstvolles Netz gesponnen, um ohne persönliche Kontakte an sein Ziel zu gelangen. Stragens Plan würde dieses Netz in einer einzigen Nacht zerreißen. Danach wären nur noch ein paar Verrückte und Unbelehrbare bereit, sich Zalasta anzuschließen. Sobald das Netz nicht mehr existiert, wird Zalasta nichts anderes übrigbleiben, als aus seinem Schlupfloch zu kommen und sich zum Kampf zu stellen. Im Gegensatz zu uns ist er kein guter Kämpfer. Es würde uns also die Chance gegeben, diesen Krieg nach unseren Vorstellungen zu führen, und das ist immer ein gewaltiger taktischer Vorteil.«
» Und wir bestimmen den Zeitpunkt«, fügte Caalador hinzu. »Das ist sehr wichtig!«
»Der Gegner würde vor allem nicht damit rechnen«, fiel Itagne ein.
»Es gibt Regeln, Itagne!« wehrte sein Bruder ab. »Die gesamte Zivilisation beruht auf Regeln! Wenn wir sie brechen, wie können wir da erwarten, daß andere sich daran halten?«
»Das ist es ja, Oscagne! Zur Zeit schützen diese Regeln die Schurken und nicht die menschliche Gesellschaft. Wir können uns herauswinden und danach mit irgendeiner juristischen Rechtfertigung aufwarten. Mein einziger wirklicher Einwand ist, daß diese – äh – Agenten der Regierungspolitik, nennen wir es so, keinen offiziellen Rang haben.« Er runzelte kurz die Stirn. »Ich glaube, dieses Problem ließe sich lösen, indem wir Durchlaucht Stragen zum Innenminister ernennen und Meister Caalador zum Leiter der geheimen Polizei.«
» Richtig geheim, Exzellenz.« Caalador lachte. »Nicht einmal ich weiß, wer die meisten dieser Meuchler sind.«
Itagne lächelte. »Das sind meines Erachtens die besten.« Er blickte den Kaiser an. »Da wäre allerdings ein kleiner Makel, was die Rechtmäßigkeit dieser Geheimaktion angeht, Majestät – vorausgesetzt, Ihr beschließt die Durchführung dieses Vorhabens.«
Sarabian lehnte sich nachdenklich in seinem Sessel zurück. »Es reizt mich«, gestand er. »Ein solches Blutbad würde wenigstens ein Jahrhundert lang die innenpolitische Ruhe in Tamuli sichern.« Er verzog bedauernd das Gesicht und richtete sich auf. »Aber es ist einfach zu unkultiviert. Ich könnte so etwas nicht billigen, solange die erhabene Sephrenia und Anarae Xanetia mich mißbilligend betrachten.«
»Was haltet Ihr davon, Xanetia?« fragte Sephrenia vorsichtig an.
»Wir Delphae machen uns keine unnötigen Gedanken über Recht oder Unrecht.«
»Das dachte ich mir. Gut ist gut und böse
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