Tamuli 2 - Das leuchtende Volk
Daumen aus dem Mund und streckte Vanion die Zunge heraus.
»Sollten wir nicht zusehen, daß wir weiterkommen?« meinte Vanion.
Sie ritten durch eine breite, wellige, mit üppigem Salzgras bewachsene Wiese. Der Mond wusch alle Farbe aus, so daß das Gras, das gegen die Pferdebeine peitschte, von fahlem Grau zu sein schien, und der Wald jenseits der Wiese ein schwarzer Fleck. Mit wachsamen Augen und Ohren, die Hände nahe dem Schwertgriff, ritten sie langsam durch die mondhelle Nacht. Noch war nichts Unerfreuliches geschehen, doch die Reiter waren gut ausgebildete Kämpfer, die immer und überall mit Gefahr rechneten.
Als sie den Wald erreicht hatten, ließ Vanion anhalten.
»Wieso machen wir Rast?« erkundigte Flöte sich verärgert.
»Der Mond ist heute sehr hell«, erklärte Vanion, »da brauchen unsere Augen eine Weile, sich der Dunkelheit unter den Bäumen anzupassen. Wir wollen schließlich nicht blind dahintappen.«
»Oh.«
»Heute ist offenbar nicht Flötes Abend«, flüsterte Berit Sperber zu. »Khalad scheint sie sehr verunsichert zu haben.«
»Das kann nicht schaden. Sie wird manchmal zu selbstgefällig und bildet sich zu viel auf ihre Klugheit ein.«
»Das habe ich gehört, Sperber!« fauchte Flöte.
»Das hatte ich gehofft«, erwiderte er freundlich lächelnd.
»Warum sind heute alle so ekelhaft zu mir?« klagte sie.
»Sie wollen dich nur ein klein wenig foppen, Aphrael«, beruhigte Sephrenia das kleine Mädchen. »Ziemlich unbeholfen, natürlich, aber es sind ja Elenier, da kann man nicht mehr von ihnen erwarten.«
»Reiten wir lieber weiter, ehe das noch in Unfreundlichkeiten ausartet«, bestimmte Vanion.
Sie ritten im Schritt durch die Schatten und erreichten nach etwa einer halben Stunde einen schmalen, furchigen Weg, dem sie, nun etwas schneller reitend, in Richtung Osten folgten.
»Wie weit ist es bis Jorsan, Eminenz?« erkundigte Bevier sich nach einer Weile bei Vanion.
»Etwa hundertfünfzig Meilen.«
»Eine beachtliche Strecke.« Bevier schaute Flöte fragend an.
Sie erwiderte seinen Blick verärgert. »Was ist?«
»Ach, nichts.«
»So rede schon, Bevier!«
»Ich möchte dich um nichts auf der Welt kränken, göttliche Aphrael, aber könntest du die Reise beschleunigen, wie du es getan hast, als wir mit König Warguns Armee durch Deira zogen?«
»Nein! Wir warten darauf, daß etwas Wichtiges geschieht! Hast du das vergessen? Und ich werde nicht daran vorbeisausen, Bevier, nur damit du schneller in die Schenken von Jorsan kommst!«
»Jetzt reicht es aber wirklich!« rügte Sephrenia sie.
Da es noch früh im Herbst war, hatten sie keine Zelte mitgenommen. So breiteten sie, nachdem sie noch etwa eine Stunde geritten waren, ihre Decken auf Unterlagen aus gefallenem Laub, um ein paar Stunden zu schlafen.
Die Sonne war längst aufgegangen, als sie ihren Weg fortsetzten und bis zum Spätnachmittag den Wald durchquerten, ohne irgendwelchen Einheimischen zu begegnen.
Die Nacht über lagerten sie in einer schmalen Klamm, wo eine überhängende Felswand und ein dichtes Laubdach das Licht ihres kleinen Kochfeuers verbarg. Diesmal bereitete Ulath das Abendessen, ohne zuvor seine übliche List versucht zu haben. »Es macht nicht soviel Spaß, wenn Tynian nicht dabei ist«, erklärte er.
»Ich vermisse ihn auch«, gestand Sperber. »Irgendwie fehlen mir seine Vorschläge unterwegs.«
»Das überaus interessante Thema, wer nun das Essen kocht, wurde doch schon einmal erwähnt«, bemerkte Vanion. »Ist mir da etwas entgangen?«
»Ritter Ulath merkt sich für gewöhnlich, wer an der Reihe ist, Eminenz«, erklärte Talen. »Es ist ein sehr kompliziertes System, deshalb versteht außer ihm keiner so recht, wie es funktioniert.«
»Würde denn eine ganz einfache Liste nicht genügen?« fragte Vanion.
»Oh, sicher. Aber Ritter Ulath zieht seine Methode vor. Sie hat allerdings einige Mängel. Einmal hat Kalten eine ganze Woche lang jede Mahlzeit gekocht.«
Vanion schauderte.
An diesem Abend gab es geräucherte Hammelkoteletts, was Ulath einige böse Blicke seiner Gefährten einbrachte. Flöte und Sephrenia dagegen lobten Ulaths Kochkünste. Nach dem Essen suchten alle ihre Laubbetten auf.
Mitternacht war längst vorbei, als Talen Sperber wachrüttelte und eine Hand vor seinen Mund legte, um ihn an einem unbeabsichtigten Ausruf zu hindern. »In der Nähe der Straße haben ein paar Leute ein großes Feuer gemacht«, flüsterte Talen.
»Aus welchem Grund?«
»Sie hocken bloß da und
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