Tamuli 2 - Das leuchtende Volk
warten offenbar auf jemanden – es sei denn, sie sind nur zum Saufen dort zusammengekommen.«
»Weck die anderen«, wies Sperber ihn an, während er seine Decken zurückwarf und nach seinem Schwert langte.
Sie krochen im Dunkeln durch den Wald und hielten am Rand einer baumstumpfübersäten Lichtung an. In ihrer Mitte loderte ein großes Feuer, um das nahezu hundert Mann saßen – ihrer Kleidung nach zum größten Teil Bauern. Ihre Gesichter waren rot vom Widerschein des Feuers und vom Inhalt der irdenen Krüge, die sie reihum gehen ließen.
»Seltsamer Ort für ein Saufgelage«, murmelte Ulath. »Für etwas so Gewöhnliches würde ich mich nicht so fern jeder Ortschaft in den Wald begeben.«
»Ist es das?« fragte Vanion Flöte, die in Sephrenias Armen kuschelte und unter dem dunklen Umhang ihrer Schwester kaum zu sehen war.
»Ist das was?«
»Du weißt genau, was ich meine. Ist es das, was wir sehen sollen?«
»Ich glaube schon«, antwortete sie. »Genauer weiß ich es erst, wenn alle hier sind.«
»Kommen denn noch mehr?«
Flöte nickte. »Mindestens noch einer. Die bereits hier sind, zählen nicht.«
Während sie warteten, wurden die Bauern auf der Lichtung zusehends betrunkener und lauter.
Endlich erschien ein einsamer Reiter am gegenüberliegenden Rand der Lichtung nahe der Straße. Er trug einen dunklen Umhang und einen breitkrempigen weichen Hut, den er tief ins Gesicht gezogen hatte.
»Nicht schon wieder!« stöhnte Talen. »Hat denn auf diesem Kontinent niemand ein bißchen Phantasie.«
»Was meinst du damit?« fragte Vanion.
»Der Bursche, den sie in Astel ›Säbel‹ nennen, trug die gleiche Maskerade, Eminenz.«
»Vielleicht ist der hier anders.«
»Ich würde meine Hoffnung nicht zu hoch schrauben.«
Der Mann auf dem Pferd ritt in den Lichtkreis des Feuers, saß ab und schob seinen Hut zurück. Er war ein großer, schlaksiger Bursche mit schmalem, pockennarbigem Gesicht und kleinen, stechenden Augen. Er stieg auf einen Baumstumpf und wartete, bis die Bauern sich um ihn versammelt hatten. »Hört, meine Freunde!« begann er mit lauter, rauher Stimme.
Das betrunkene Gebrabbel der Bauern erstarb.
»Seit unserem letzten Treffen ist viel geschehen«, fuhr der Redner fort. »Ihr werdet euch erinnern, daß wir uns auf einen letzten friedlichen Versuch geeinigt hatten, unsere Meinungsverschiedenheiten mit den Tamulern zu beheben.«
»Was hatten wir denn für eine Wahl, Rebal?« rief ein Bauer. »Nur Verrückte würden die atanische Garnison angreifen, wie gerecht ihre gute Sache auch ist!«
»Das also ist Rebal«, wisperte Kalten. »Nicht sehr beeindruckend, findet ihr nicht auch?«
»Unsere gute Sache wird durch Incetes höchstpersönlich unterstützt«, erwiderte Rebal. »Und Incetes ist den Atanern mehr als nur ebenbürtig.«
Der Mob murmelte beipflichtend.
»Ich habe gute Neuigkeiten, meine Freunde!« rief Rebal. »Unsere Gesandten hatten Erfolg. Der Kaiser selbst hat unsere Sache als gerecht anerkannt!«
Jubelrufe wurden laut.
»Ich freue mich mit euch«, fuhr Rebal fort, »aber eine neue Gefahr hat sich ergeben. Eine Gefahr, die viel ernster ist als die simple Ungerechtigkeit der korrupten tamulischen Regierung. Der Kaiser, der jetzt unser Freund ist, wurde von den verfluchten Ordensrittern gefangengenommen! Der Arm des verruchten Erzprälaten der Kirche von Chyrellos hat um die halbe Welt bis hierher gegriffen, um unseren Freund zu packen!«
»Ungeheuerlich!« brüllte ein wohlbeleibter Bauer in der Menge.
Die anderen wirkten jedoch ein wenig verwirrt.
»Er ist zu schnell!« kritisierte Talen.
»Was meinst du damit?« fragte Berit.
»Diese einfachen Leute können nicht so schnell denken«, erklärte Talen. »Ich vermute, daß er während des vergangenen Jahres die Tamuler verteufelt hat – so wie Säbel droben in Astel. Sogar ein besoffener Bauer wird mißtrauisch, wenn er von der wundersamen Bekehrung des Kaisers hört. Er macht das alles zu schnell – und zu leicht!«
»He, Rebal«, rief der dicke Bauer, »erzählt uns, wie unser Freund, der Kaiser, gefangengenommen wurde.«
»Ja, sagt es uns!« schrie ein anderer Bauer auf der gegenüberliegenden Seite der Versammelten.
»Das sind seine Helfershelfer«, sagte Talen abfällig. »Sie sollen den Lügen und Hetztiraden dieses Rebal mehr Nachdruck verleihen.«
»Sie haben es sehr schlau angestellt«, erklärte Rebal der Menge, »sehr schlau! Die Kirche von Chyrellos wird von den Teufeln aus der tiefsten Hölle
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