Tamuli 2 - Das leuchtende Volk
mich.«
»Gut gesagt«, murmelte Ulath.
Später, nachdem Sperber und Ulath Kalten die Treppe hinaufgeschleppt und ins Bett gelegt hatten, trafen die Gefährten sich in der Gaststube zum Abendessen. Sperber hatte den Wirt gebeten, Sephrenia das Essen aufs Zimmer zu bringen.
Bevier schaute sich um. »Wo ist Talen?«
»Er sagte, er wolle ein bißchen frische Luft schnappen«, antwortete Berit.
»Während eines Wirbelsturms?«
»Ich glaube, er kann bloß nicht mehr stillsitzen.«
»Oder er will etwas stehlen«, meinte Ulath.
In diesem Moment knallte die Tür zurück, und der Wind wehte Talen herein. Unter seinem Umhang trug er Wams und enges Beinkleid, und an der Hüfte einen Degen. Die Waffe schienen ihn nicht sonderlich zu behindern. Er drückte den Rücken gegen die Tür und mühte sich, sie ganz zu schließen. Er war naß bis auf die Haut, und Wasser strömte ihm übers Gesicht. Mit breitem Grinsen erklärte er: »Ich habe gerade ein Geheimnis gelüftet!« Lachend setzte er sich zu den anderen an den Tisch.
»Ach?« sagte Ulath.
»Wieviel wäre es euch wert, Rebals wahre Identität zu erfahren, meine Herren?«
»Wie ist dir das gelungen?« fragte Berit.
»Pures Glück. Ich wollte mich draußen nur ein wenig umsehen. Der Sturm wehte mich durch eine enge Sackgasse und drückte mich gegen eine Ladentür an ihrem Ende. Ich hielt es für das beste, hineinzugehen, um zu Atem zu kommen. Und was sehe ich als erstes? Ein bekanntes Gesicht! Unser geheimnisvoller Rebal ist ein geachteter Ladenbesitzer hier in Jorsan. Das hat er mir selber gesagt. Er sieht gar nicht so beeindruckend aus, wenn er eine Schürze trägt.«
»Ein Ladenbesitzer?« fragte Bevier ungläubig.
»Ja, wirklich, Herr Ritter – eine Stütze der Gemeinde, wenn man seinen Worten glauben darf. Er ist sogar im Stadtrat.«
»Konntest du seinen Namen erfahren?« erkundigte sich Vanion.
»Natürlich, Eminenz. Er hat sich mir vorgestellt, kaum daß der Wind mich durch die Tür geblasen hatte. Er heißt Amador. Ich habe sogar etwas bei ihm gekauft, nur damit er nicht zu reden aufhörte.«
»Womit handelt er denn?« fragte Berit.
Talen langte unter sein Wams und zog einen schmalen, ein wenig nassen und zerknitterten Stoffstreifen in kräftigem Rosa hervor. »Ist es nicht hübsch? Ich glaube, ich werde es Flöte schenken.«
»Ist das dein Ernst?« Vanion lachte. »Er handelt tatsächlich mit Seidenbändern?«
»Und ob es mein Ernst ist, Eminenz. Der Mann hier in Edom, der alle Tamuler erzittern läßt, ist Verkäufer von Seidenbändern. Könnt ihr euch das vorstellen?« fragte er die Runde. Dann lachte er schallend.
»Wie funktioniert es?« erkundigte sich Sperber tags darauf. Er drehte den Ring um und blickte auf die Unterseite.
»Es ist die Fassung eines Ringes, wie Leute sie benutzen, wenn sie Gift in Speisen oder Getränke geben wollen«, erklärte Khalad. »Ich hab' den Goldschmied gebeten, die Fassung vom Originalring zu entfernen und an Eurem zu befestigen, so, daß sie den Rubin umrahmt. Da ist eine winzige Angel an dieser Seite der Einfassung, und eine Verriegelung an der anderen. Ihr braucht bloß die Angel zu berühren – genau hier.« Er deutete auf einen winzigen Hebel, der unter der massiven Goldverzierung kaum zu sehen war. »Die Angel hat eine kleine Feder, und wenn Ihr auf den Hebel drückt, springt dieser goldene Verschluß auf.« Er berührte den Hebel, und der kleine, kuppelförmige Deckel sprang zurück und gab den Edelstein frei. »Seid Ihr sicher , daß es auch wirklich funktioniert, wenn Ihr Bhelliom nur mit dem Reif berührt? Wenn dieser Deckel im Weg ist, dürfte es etwas schwierig werden, mit dem Stein überhaupt irgendwas zu berühren.«
»Ja, der Reif genügt«, erwiderte Sperber. »Das ist sehr geschickt angefertigt, Khalad.«
»Danke. Ich hab' dafür gesorgt, daß der Goldschmied das Gift erst auswusch, bevor wir Euren Ring mit dem Überzug versahen.«
»Sein ursprünglicher Ring war bereits benutzt worden?«
»O ja. Ein Erbe der edomischen Edelfrau, der er gehört hatte, verkaufte ihn nach ihrem Tod an den Goldschmied. Ich vermute, daß sie viele Feinde hatte. Anfangs zumindest.« Khalad lachte. »Ich habe den Goldschmied sehr enttäuscht, fürchte ich. Er wollte unbedingt eine Zeitlang mit Eurem Ring allein sein. Der Rubin ist sehr kostbar, und da ich sicher war, daß Bhelliom nicht auf ein Stück rotes Glas ansprechen würde, ließ ich ihn keinen Moment aus den Augen. Trotzdem kann es nicht schaden, wenn Ihr
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