Tamuli 3 - Das Verborgene Land
gehörst zweifellos dazu. Obwohl du mein Sohn bist, gerate sogar ich nicht selten in Versuchung, dich zu töten. In deiner Unüberlegtheit hast du dir gedacht, du brauchtest dir Bhelliom nur zu nehmen, dann könntest du ihm sogleich Befehle erteilen. Habe ich recht?« Scarpa lief aus Verlegenheit rot an.
»Geht es denn nicht in deinen kranken Kopf, daß nur ein Gott – oder Anakha – Bhelliom unbeschadet in die Hand nehmen und ihm Anweisungen geben kann? Warum, glaubst du, habe ich ein Bündnis mit Azash geschlossen – und später mit Cyrgon? Dachtest du etwa, ich hätte religiöse Gründe dafür?« Er lächelte grausam. »Hast du dir wirklich eingebildet, Bhelliom hätte dich mir ebenbürtig gemacht, Scarpa? Du wolltest dir die Ringe über die Finger ziehen, dir Bhelliom schnappen und ihm befehlen, mich zu töten, nicht wahr? Fast wünschte ich, die Lage wäre anders. Wie gern hätte ich deinen Gesichtsausdruck gesehen, wenn Bhelliom dich in Stein verwandelt!« Zalasta richtete sich hoch auf. »Genug!« Er ging zur Tür. »Kommt herein!« brüllte er. »Ihr alle!«
Furchtsam und zögernd traten die Männer ein. Krager war vor lauter Angst fast nüchtern, und Elron hätte sich am liebsten verkrochen. Der dritte war ein dürrer Styriker mit langem Bart, struppigen Brauen und eingesunkenen fanatischen Augen. »Meine Herren«, begann Zalasta, »diese neue Entwicklung erfordert Änderungen unserer Pläne. Mein Sohn und ich haben die Angelegenheit besprochen. Offenbar hat er beschlossen, weiterleben zu wollen, denn er hat sich einverstanden erklärt, meine Anweisungen zu befolgen. Ich werde die Königin und ihre Kammermaid an einen anderen Ort bringen. Natayos ist nicht mehr sicher. Sperber könnte buchstäblich überall sein. Möglicherweise ist er bereits hier. Ich möchte, daß ihr mit Scarpa dableibt. Schickt die Botschaften weiterhin an diesen falschen Sperber. Unsere Feinde dürfen nicht erfahren, daß wir sie durchschaut haben. Wartet zwei Tage; dann sendet Anweisungen nach Panem-Dea. Man soll eine angemessene Unterkunft für zwei sehr hochgestellte Damen herrichten. Anschließend wartet noch einmal zwei Tage; dann schickt eine geschlossene Kutsche dorthin. Diese Schwachköpfe in Panem-Dea kennen so etwas wie Sicherheitsmaßnahmen überhaupt nicht; deshalb dürfte der Wortlaut Eurer Nachricht in ganz Südarjuna bekannt sein, noch ehe Euer Bote eintrifft. Cyzada, ich möchte, daß Ihr ein wachsames Auge auf meinen geistesgestörten Sohn habt. Befolgt er meine Anweisungen nicht bis aufs Wort, befehle ich Euch, einen von Azashs Dienern aus der Unterwelt zu rufen, auf daß er diesen Schwachkopf tötet. Laßt Euch etwas einfallen, alter Junge. Sucht den grausamsten und gräßlichsten Dämon aus, den Ihr finden könnt. Falls Scarpa mir wieder nicht gehorcht, sorgt dafür, daß er einen sehr langen und qualvollen Tod erleidet. Man soll ihn von hier bis Matherion schreien hören!«
Cyzadas Augen leuchteten in plötzlicher, grausamer Vorfreude auf. Er bedachte Scarpa, der mit einemmal einen vollkommen vernünftigen Eindruck machte, mit einem furchtbaren Lächeln. »Ich kümmere mich darum, Zalasta«, versprach er mit hohl klingender Stimme. »Ich weiß jetzt schon, wen ich für diesen Zweck beschwören werde.« Scarpa wich entsetzt zurück.
»Wohin werdet Ihr die Gefangenen bringen, erhabener Zalasta?« fragte Elron zittrig. »Wo könnt Ihr sicher sein vor diesem rachsüchtigen Ungeheuer, das Anakha genannt wird?«
»Das braucht Ihr nicht zu wissen, Elron«, erwiderte Zalasta. »Die Pandioner sind für ihre Strenge bei der Befragung von Gefangenen bekannt. Wenn Ihr es nicht wißt, könnt Ihr es ihnen nicht verraten – nicht einmal, wenn sie Euch foltern.«
»Foltern?« Elrons Augen weiteten sich, und seine Stimme klang wie ein angstvolles Quieken.
»Dies ist die wirkliche Welt, Elron, nicht der Tagtraum eines weltfremden Poeten. Die Zeit der Possenreißerei ist nun vorbei. Aber ich bin sicher, Ihr werdet eine gelungene Vorstellung geben und uns mit dem Heldenmut beeindrucken, mit dem Ihr die Qualen ertragt, die man Euch ohne Zweifel zufügen wird, wenn man Euch erwischt.« Elron war der Ohnmacht nahe.
17
Ihre königliche Hoheit, Kronprinzessin Danae von Elenien, saß gedankenverloren auf einer abgelegenen Fensterbank in einem oberen Stockwerk der Burg Ihrer Mutter. Das Wetter war wechselhaft, und zur Zeit fegte ein heftiger Windstoß welke Blätter wie huschende braune Mäuse über den Rasen unterhalb des
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