Tamuli 3 - Das Verborgene Land
Meilen mit! Dann werden deine Maultiere verrecken, und du selbst wirst die restlichen vierzig Meilen Sand saufen! Mir ist es egal. So sehr habe ich dich sowieso nie gemocht. Aber glaub mir, Echon. Es sind hundert Meilen von der Oase von Vigay bis zum Ufer des Sarna.« Der alte Mann spuckte in Richtung des bleichbraunen Teiches. Talen fing plötzlich zu lachen an. »Was ist so lustig?« fragte Sperber.
»Wir haben soeben einen Glückstreffer erzielt, hochverehrter Führer«, antwortete der Junge vergnügt. »Wenn wir hier oben mit allem fertig sind, kehren wir am besten schnell zu den anderen zurück. Wir sollten möglichst früh schlafen gehen – da wir wahrscheinlich schon im Morgengrauen aufbrechen werden.« »Ach? Wohin?« »Nach Cyrga, natürlich. Dorthin wolltet Ihr doch, oder?« »Ja, aber wir wissen nicht, wo Cyrga ist.«
»Da täuscht Ihr Euch, Sperber. Wir kennen den Weg nach Cyrga – oder ich zumindest.«
23
»Starb er einen Heldentod?« fragte Betuana. Sie war sehr bleich, ließ sich ihr Leid aber nicht anmerken.
»Es war ein Tod, der eines Heerführers würdig ist, Betuana-Königin«, antwortete der Bote. »Wir befanden uns in einer Schlucht, und diese Klæl-Bestie zerschmetterte die Felswände und schleuderte die Trümmer auf uns herunter. Androl-König griff das Ungeheuer an. So gelang es vielen zu entkommen. Ohne den Angriff des Königs hätten sie ihr Leben verloren.«
Betuana dachte darüber nach. »Ja«, erklärte sie schließlich. »Er starb würdig und wird in der Erinnerung unseres Volkes weiterleben.«
»Wir haben viele Verwundete, Betuana-Königin, und Tausende liegen in der Klamm unter dem Geröll begraben. Wir haben uns nach Tualas zurückgezogen, um dort Eurer Befehle zu harren.«
»Es sollen einige Männer dortbleiben, um sich der Verwundeten anzunehmen. Alle anderen werden sich sofort hierher in Marsch setzen. Für Tosa besteht keine Gefahr mehr. Die Gefahr ist nun hier.«
»Ich werde Euren Befehl weitergeben, meine Königin.« Der Bote schlug salutierend mit der Faust auf den Brustpanzer.
Die Königin der Ataner erhob sich. Ihr noch immer bleiches Gesicht verriet keine Regung. »Ich möchte nun allein sein und nachdenken, Itagne-Botschafter«, sagte sie förmlich.
»Das ist verständlich, Betuana-Königin«, entgegnete er. »Ich teile Euer Leid.« »Aber nicht meine Schuld.« Sie drehte sich um und verließ den Raum.
Itagne blickte Engessa ins düstere Gesicht. »Ich gebe den anderen Bescheid.« Engessa nickte.
»Könntet Ihr mit dem Boten sprechen, bevor er aufbricht, Engessa?« bat Itagne. »Hochmeister Vanion muß das ungefähre Ausmaß der Verluste erfahren, ehe er seine Strategie ändern kann.«
»Ich werde die Zahl der Gefallenen und Verwundeten in Erfahrung bringen und dem Boten mitteilen, Itagne-Botschafter.« Engessa neigte den Kopf und ging.
Itagne fluchte und hämmerte die Faust auf den Tisch. »Mußte das ausgerechnet jetzt passieren!« tobte er. »Wenn dieser Narr nur noch ein wenig gewartet hätte, bevor er sich umbringen ließ!«
Betuana hatte nichts falsch gemacht, und ihre Besorgnis um Engessa hatte kein Hauch von Unehrenhaftigkeit angehaftet. Wären ihr noch ein oder zwei Wochen geblieben, darüber hinwegzukommen, wäre ihr wirklich grundlos schlechtes Gewissen vergessen gewesen, wie auch all die persönlichen Gefühle, die es verursacht hatten. Doch Androls Tod, gerade zu diesem Zeitpunkt … Wieder fluchte Itagne. Die atanische Königin mußte klar denken und handeln können, aber diese Krise könnte ihr Urteilsvermögen beeinträchtigen. Itagne schloß nicht aus, daß Betuana sich jetzt in ihrem Gemach darauf vorbereitete, sich ihr Schwert ins Herz zu stoßen. Er erhob sich und suchte nach Papier und Federkiel. Er mußte Vanion darauf aufmerksam machen, ehe hier in Sarna alles in die Brüche ging.
»Es ergab alles einen Sinn, als ich hörte, wie der alte Mann ihren kleinen Teich ›den Brunnen von Cyrgon‹ nannte«, erklärte Talen. »Ogerajin hat genau dieselben Worte benutzt!«
»Ich weiß nicht recht, ob das soviel zu bedeuten hat«, warf Mirtai zweifelnd ein. »Die Cynesganer bezeichnen alle ihre Oasen als ›Brunnen‹.«
»Aber das Entscheidende ist, daß dieser hier einer der Orientierungspunkte ist, die Ogerajin erwähnt hat!« gab Bevier zu bedenken. »Wie ist es überhaupt zu diesem Thema gekommen?« fragte er Talen.
»Stragen und ich haben Valash eine unserer Lügengeschichten aufgetischt«, antwortete der Junge. »Ogerajin war
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