Tamuli 3 - Das Verborgene Land
Edaemus' Fluch macht unsere Art von Kriegsführung viel grauenvoller als das Blutvergießen anderer Rassen. Und da wir nicht zu Kriegern geschaffen sind, leiden wir auch eher darunter als andere.« Er machte eine Pause. »Du bist nicht der einzige, der nicht mehr kämpfen will, nicht wahr, Adras? Es gibt noch weitere, habe ich recht?« Adras nickte stumm. »Wie viele?« »Nahezu einhundertfünfzig, mein Freund.«
Ekrasios war erschüttert. Fast ein Drittel seiner Kräfte kündigte ihm den Gehorsam auf, um nicht weitere Blutschuld auf sich zu laden. »Ihr bereitet mir Sorgen, Adras. Ich werde euch nicht zwingen, gegen euer Gewissen zu handeln, aber wenn du nicht an meiner Seite bist und die anderen ihrer inneren Stimme folgen, zweifle ich am erfolgreichen Ausgang dieser Auseinandersetzung. Laß mich darüber nachdenken.« Er begann, auf der schlammigen Dschungellichtung auf und ab zu stiefeln, wobei er sich mehrere Möglichkeiten durch den Kopf gehen ließ. »Wir könnten heute nacht vielleicht trotzdem noch einen gewissen Sieg erringen«, sagte er schließlich. »Laß mich das Maß deines Widerstrebens erforschen, mein Freund. Ich sehe ein, daß du nicht gegen dein Gewissen diese Ruinen vor uns betreten kannst, aber würdest du mich ganz im Stich lassen?« »Niemals, Ekrasios.«
»Ich danke dir, Adras. Vielleicht könnt ihr, du und deine Gleichgesinnten, unseren Plan fördern, auch ohne eure Gefühle zu verletzen. Wie wir in Norenja feststellten, erstreckt Edaemus' Fluch sich auch auf nichtfleischliche Dinge.«
»Das stimmt«, bestätigte Adras. »Das Tor jener armseligen Ruine zerfiel bei unserer kleinsten Berührung.«
»Die Ostmauer von Synaqua ist aus Stämmen errichtet. Dürfte ich dich und deine Gleichgesinnten bitten, sie zu vernichten, während ich und die anderen, die weiterkämpfen möchten, die Stadt betreten?«
Adras' Verstand war hellwach. Sein plötzliches Lächeln vertrieb die Entfremdung, die ihre Freundschaft in den vergangenen Tagen auf eine harte Probe gestellt hatte. »Du bist zum Befehlen geboren, Ekrasios!« sagte er glücklich. »Meine Freunde und ich werden diese Aufgabe gern übernehmen. Betritt mit deinen Kohorten Synaqua durch das Haupttor, während ich und meine Gruppe im Osten einige Hintertüren öffnen, damit jene, die sich in dieser Stadt aufhalten, sie ohne Schaden verlassen können. So ist beiden Seite geholfen.«
»Wohl gesprochen, Adras!« lobte Ekrasios. »Wohl gesprochen.«
27
»Sie sind jetzt außer Sichtweite«, zischte Talen. »Schnell, holt ihr die Karre!« Kalten und Sperber sprangen aus den Büschen, schnappten sich die halb mit Brennholz beladene Karre und zogen sie außer Sicht. Es war gegen Mittag. »Ich finde immer noch, daß es eine vollkommen verrückte Idee ist!« brummte Kalten. »Angenommen, man hält uns tatsächlich nicht auf, wenn wir versuchen durchs Tor zu gehen – dann bleibt immer noch die Frage, wie wir unsere Waffen und Kettenhemden abladen sollen, ohne gesehen zu werden? Und wie wollen wir aus den Sklavenpferchen kommen, um sie uns zu holen?« »Vertraut mir.« »Dieser Junge wird noch mein Sargnagel!« stöhnte Kalten.
»Es könnte uns durchaus gelingen, den Plan in die Tat umzusetzen, Kalten«, meinte Bevier. »Xanetia sagte, daß die cynesganischen Aufseher kaum auf die Sklaven achten. Aber jetzt sollten wir erst einmal zusehen, daß wir diese Karre wegschaffen, bevor die Burschen, denen sie gehört, zurückkehren und feststellen, daß sie verschwunden ist.«
Sie zogen die wacklige, zweirädrige Karre den schmalen Pfad entlang zu der Stelle, wo Xanetia und Mirtai sich im Gebüsch versteckt hatten. »Seht, seht«, sagte Mirtai trocken in ihrem Versteck, »unsere Helden kehren mit der Kriegsbeute zurück.« »Ich liebe Euch, kleine Schwester«, entgegnete Sperber, »aber Ihr habt eine zu spitze Zunge! Kalten hat vielleicht nicht ganz so unrecht. Die cynesganischen Aufseher mögen vielleicht zu dumm sein, zu bemerken, was wir tun, doch den Sklaven fällt es wahrscheinlich auf. Und der erste, der den Mund auftut, erntet womöglich eine Menge Aufmerksamkeit.«
»Ich arbeite schon dran, Sperber«, erklärte der Junge in der gedehnten Sprechweise Caaladors. Er kniete nieder und begutachtete die Unterseite der Karre. »Kein Problem«, sagte er zuversichtlich, stand wieder auf und bürstete sich den Schmutz von den nackten Knien. Die Gefährten hatten die cynesganischen Roben ein wenig umgeändert, indem sie die Ärmel und Kapuzen entfernt und die
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