Tamuli 3 - Das Verborgene Land
immergrüner Zierbüsche Schutz zu suchen. »Jetzt kommt der gefährliche Teil«, warnte Liatris flüsternd. »Chacole weiß inzwischen, daß ihre Meuchler Gahenas nicht finden konnten, und bestimmt hat sie ihre Leute ausgesandt, um zu verhindern, daß wir in Ehlanas Burg Zuflucht finden.« Elysoun blickte über den mondbeschienenen Rasen. »Unmöglich«, seufzte sie. »Es ist einfach zu hell. Ein Pfad führt durch diesen Hain und kommt beim Innenministerium heraus.«
»Das ist die falsche Richtung, Elysoun!« wehrte Gahenas ab. »Die elenische Burg ist in der entgegengesetzten!«
»Ja, ich weiß. Aber da haben wir nirgends Sichtschutz. Zwischen hier und der Burg gibt es nur offenen Rasen. Wir müssen uns in den Schatten halten. Wenn wir um die andere Seite des Innenministeriums herum und durch die Anlage des Außenministeriums gehen, sind es nur noch etwa hundertfünfzig Fuß bis zur Zugbrücke der Burg.« »Und wenn die Brücke hochgezogen ist?«
»Darüber machen wir uns Sorgen, wenn wir dort sind, Gahenas. Sehen wir erst einmal zu, daß wir in die Grünanlage des Außenministeriums gelangen.«
»Dann wollen wir mal, meine Damen!« sagte Liatris entschlossen. »Es bringt nichts, wenn wir hier nur herumtrödeln und reden. Finden wir heraus, wie die Dinge stehen!«
»Hier hinten«, flüsterte Talen den Gefährten zu, als er aus der engen Gasse kam. »Die Außenwand des Schlosses reicht bis zu der Stelle, wo sie in die Stadtmauer am Ende der Gasse übergeht. Der rechte Winkel dort ist zum Klettern am besten geeignet.«
»Wirst du das hier brauchen?« Mirtai streckte ihm ihren Enterhaken entgegen. »Nein, ich schaffe es ohne das Ding dort hinauf. Und wer weiß, ob sich nicht Posten in der Nähe aufhalten, die hören könnten, wenn der Haken gegen Stein schlägt.« Er führte die anderen zum Ende der Sackgasse, wo die Schloßwand von der beeindruckend befestigten Mauer aufstieg, welche den oberen Stadtteil vom Rest der Stadt trennte.
»Was meinst du, wie hoch das ist?« fragte Kalten und spähte blinzelnd hinauf. Es war schon ein besonderes Gefühl, nach so langer Zeit der Tarnung Kaltens vertrautes Gesicht wiederzusehen. Sofort strich Sperber mit der Hand über seine Züge und spürte die vertrauten Umrisse der gebrochenen Nase.
»Ungefähr dreißig Fuß«, beantwortete Bevier Kaltens Frage leise.
Mirtai begutachtete den Winkel, der durch das Zusammentreffen der beiden Mauern entstanden war. »Das wird nicht sonderlich schwierig«, flüsterte sie.
»Das Ganze ist eine Fehlkonstruktion«, meinte Bevier.
»Ich klettere als erster hinauf!« erklärte Talen.
»Stell da oben nichts Törichtes an«, warnte Mirtai.
»Verlaßt Euch auf mich.« Talen setzte den Fuß auf einen kleinen Vorsprung der Außenmauer und tastete an der Schloßwand nach Halt für die Hände. Dann stieg er rasch in die Höhe.
»Wir sehen uns nach Wächtern um, sobald wir oben sind«, wandte Mirtai sich leise an die anderen. »Dann lassen wir ein Seil zu euch hinunter.« Sie langte empor und folgte dem jungen Dieb.
Bevier lehnte sich zurück. »Der Mond steht jetzt am Himmel«, sagte er.
»Meint Ihr, er könnte unsere Anwesenheit verraten?« fragte Xanetia.
»Nein, Anarae. Wir klettern an der Nordseite des Turmes hinauf. Deshalb werden wir die ganze Zeit im Schatten sein.«
Sie warteten angespannt und beobachteten mit zurückgelegtem Kopf, wie die beiden Fassadenkletterer vorankamen.
»Jemand nähert sich!« zischte Kalten. »Oben auf dem Wehrgang!«
Talen und Mirtai hielten inne und drückten sich in den Schatten zwischen den zwei Mauern.
»Er hat eine Fackel!« wisperte Kalten. »Wenn er sie über die Brü …« Sperber hielt den Atem an. »Alles in Ordnung!« flüsterte Bevier. »Er ist umgekehrt.«
»Wir sollten uns seiner vielleicht annehmen, sobald wir oben sind«, meinte Kalten. »Nicht, wenn wir es vermeiden können!« widersprach Sperber. »Wir wollen doch nicht, daß jemand ihn suchen kommt!«
Talen hatte derweil die Brustwehr erreicht. Er klammerte sich kurz an die rauhen Steine und lauschte; dann stemmte er sich über die Balustrade und verschwand aus dem Blickfeld der anderen. Kurz darauf folgte ihm Mirtai. Sperber und die anderen warteten in der Dunkelheit. Augenblicke später glitt Mirtais Seil die Wand hinunter.
»Folgen wir ihnen!« sagte Sperber angespannt. »Einer nach dem anderen.« Die Steine waren aus quaderförmig gebrochenem Basalt und roh behauen aneinandergefügt, was das Klettern viel leichter machte, als
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