Tamuli 3 - Das Verborgene Land
»Ich hatte Schlechtes von dir gedacht, Sephrenia von Ylara«, gestand der Gott der Delphae. »Meine Anarae hat mich überzeugt, daß ich irrte. Ich flehe Euch an, mir zu verzeihen.« Offenbar konnte die sanfte Anarae sich sehr wohl durchsetzen, wenn ihr der Sinn danach stand.
Sephrenia lächelte milde. »Natürlich vergebe ich Euch, Gott Edaemus. Ich muß zugeben, daß ich selbst nicht ganz schuldlos daran war.«
»So laßt uns denn beten, jeder zu seinem eigenen Gott, auf daß er die Vereinigung dieses Mannes und dieser Frau segnen möge«, sagte Xanetia in förmlichem Tonfall, »denn mir deucht, sie ist der Vorbote eines neuen Zeitalters von Verständnis und Vertrauen zwischen allen Menschen.«
Sperber war da zwar etwas skeptisch, doch wie die anderen senkte er den Kopf. Allerdings richtete er seine Worte nicht an seinen elenischen Gott. Blaurose, sandte er statt dessen seine Gedanken aus.
Betest du, mein Sohn? Die antwortende Stimme klang leicht amüsiert.
Ich will Rat einholen, Blaurose, berichtigte Sperber. Andere werden unsere Bitte an den elenischen Gott richten, ich aber spüre, daß die Zeit unserer Trennung nicht mehr fern ist.
Wahrlich.
Deshalb möchte ich die Gelegenheit nutzen, dich um einen Gefallen zu bitten. Nur zu.
Ich habe all deine Macht gesehen, Blaurose – und diese Macht auf gewisse Weise mit dir geteilt. Diese Macht ist grenzenlos. Es wäre nicht ehrlich, würdest du dies leugnen.
Sei nett! murmelte Bhelliom. Er hatte sich diese Phrase angewöhnt und war offenbar sehr davon angetan. Was ist das für ein Gefallen, mein Sohn?
Ich flehe dich an, all meine Macht mit dir zu nehmen, wenn du weiterziehst. Sie ist eine Last, die auf mich zu nehmen ich nicht bereit bin. Ich bin dein Sohn, Blaurose, aber ich bin auch ein Mensch. Ich habe weder die Geduld noch die Weisheit, die Verantwortung dafür zu übernehmen, was du mir zuteil werden ließest. Diese Welt, die du erschaffen hast, hat Götter genug. Sie braucht keinen weiteren!
Überlege gut, mein Sohn! Bedenke, was du aufzugeben beabsichtigst.
Das habe ich bereits, mein Vater. Ich war Anakha; denn die Notwendigkeit erforderte es. Sperber plagte sich, seine Gedanken in die richtigen Worte zu kleiden. Als Anakha trat ich dem Styriker Zalasta gegenüber und empfand eine große innere Ruhe, eine Ruhe, die mich immer noch erfüllt. Mir dünkt, diese Gabe hat mich verändert, hat mich zu mehr – oder weniger – als einem Menschen gemacht. Wenn du die Güte hättest, möchte ich nicht mehr ›Anakha, der Geduldige‹, ›Anakha, der Neugierige‹, ›Anakha, der Unerbittliche‹ sein. Anakhas Aufgabe ist erfüllt. Von ganzem Herzen möchte ich jetzt wieder einfach nur Sperber sein! ›Sperber, der Liebende‹, oder sogar ›Sperber, der Gereizte‹ würde mich viel mehr freuen als diese furchtbare Leere, die Anakha ist!
Eine lange Pause trat ein. Wisse, mein Sohn, daß du mir große Freude bereitest. Stolz lag in der stummen Stimme in Sperbers Kopf. Dieser Augenblick deines Lebens ehrt dich mehr denn je einer zuvor. Lebe wohl, Sperber. Und dann war die Stimme verschwunden.
Die Trauungszeremonie war in mancherlei Hinsicht fremdartig, und auf andere Weise doch sehr vertraut. Die Lobpreisung der Liebe zwischen Vanion und Sephrenia fand statt, doch es fehlte die Predigt, die zum elenischen Ritual gehörte. Zum Schluß legte Xanetia in liebevollem Segen sanft die Hände auf die Köpfe des Paares, das sie soeben zusammengeführt hatte. Diese Geste sollte offenbar verkünden, daß die Zeremonie beendet war. Doch das war sie nicht.
Die zweite der beiden Gestalten, die Xanetia über das leuchtende Wasser des Sees begleitet hatte, trat ganz in glühendem Blau herbei, um ebenfalls ihren Segen zu geben. Sie hob die Hände über den Mann und über die Frau, und für einen flüchtigen Augenblick ward auch ihnen ihr blaues Glühen zuteil.
Als dieses Licht schwand, hatte Sephrenia sich auf subtile Weise verändert. Die Sorgen und Müdigkeit, die ihr Gesicht auf vielerlei, wenn auch kaum merkliche Weise gezeichnet hatten, waren verschwunden, und sie schien nicht älter als Alean zu sein. Die Veränderungen, welche Bhellioms glühende Berührung bei Vanion bewirkt hatte, waren ausgeprägter und sichtbarer. Seine Schultern, die sich im Laufe der Jahre gekrümmt hatten, waren nun wieder gerade. Sein Gesicht war faltenlos, und das Silber seines Kopf- und Barthaares war dem Kastanienbraun gewichen, an das sich Sperber nur vage aus der Zeit seines Noviziats
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