Tamuli 3 - Das Verborgene Land
Pupillen auf, und wie seltsam bläulich das Weiß seiner Augen getönt war.
»Jawohl, Euer Liebden«, sagte sie im unterwürfigsten Tonfall.
Er funkelte sie an. Seine Miene verriet Argwohn, und in seinen Augen loderte der Wahnsinn, als er gierig den Blick über Ehlana huschen ließ und nach einem Grund suchte, seine Gefangenen zu bestrafen oder noch mehr zu demütigen.
Ehlana senkte den Kopf und starrte auf den schlammigen Pfad, der sich immer tiefer in den dichten, mit Schlingpflanzen durchsetzten Regenwald an der Südostküste Daresiens hineinschlängelte.
Das Schiff, auf das man sie im Hafen von Micae geschleppt hatte, war schlank und schwarz und gewiß nicht für Zwecke ehrlicher Seefahrt erbaut. Man hatte Ehlana und Alean sofort unter Deck gezerrt und in eine enge, stockfinstere Kammer gesperrt, in der es nach Bilgewasser stank. Nach etwa zwei Stunden auf See war die Tür geöffnet worden, und Krager war mit zwei dunkelhäutigen Seeleuten in den winzigen Verschlag gekommen. Einer der Kerle trug etwas, das wie eine ordentliche Mahlzeit aussah, und der andere zwei Eimer mit heißem Wasser, ein Stück Seife und ein paar Fetzen, die wohl zum Abtrocknen dienen sollten. Ehlana wäre dem Burschen dafür am liebsten um den Hals gefallen.
»Die ganze Sache tut mir wirklich leid, Ehlana«, hatte Krager sich entschuldigt und mit kurzsichtigen Augen geblinzelt. »Ich habe in dieser Angelegenheit leider keinerlei Mitspracherecht. Seid vorsichtig, wenn Ihr mit Scarpa redet. Wahrscheinlich habt Ihr schon bemerkt, daß er nicht bei klarem Verstand ist.« Krager hatte sich nervös umgesehen und schließlich eine Handvoll billige Talgkerzen auf den rohen Holztisch gelegt, ehe er die Tür hinter sich schloß und eine Kette vorhängte.
Fünf Tage waren sie auf See gewesen; dann hatten sie kurz nach Mitternacht Anan erreicht, eine Hafenstadt an der Südostküste, am Rande des Dschungels.
Ehlana und Alean waren rasch in eine von Baron Parok gelenkte, geschlossene Karosse gebracht worden. Während des kurzen Weges vom Schiff zum Gefährt hatte Ehlana heimlich jeden ihrer Wächter gemustert, um irgendeine Schwachstelle zu finden. Obwohl er fast ständig betrunken war, erschien Krager ihr zu gerissen. Parok war Scarpas langjähriger Kumpan, und ganz offensichtlich störte ihn dessen Wahnsinn nicht. Schließlich hatte sie Elron mit prüfenden Blicken betrachtet. Es war ihr nicht entgangen, daß der geckenhafte astelische Poet ihr nicht in die Augen blicken konnte. Die scheinbare Ermordung Melideres erfüllte ihn offenbar mit Gewissensbissen. Elron war ein Poseur, kein Mann der Tat, und der Anblick von Blut drehte ihm den Magen um. Ehlana erinnerte sich, wie stolz er bei ihrer ersten Begegnung auf seine langen Locken gewesen war, und sie fragte sich, wie ihn Scarpa genötigt hatte, seinen Schädel zu rasieren, um sich als einer von Krings Peloi ausgeben zu können. Sie vermutete, daß die erzwungene Opferung seines Haares Groll gegen Scarpa in Elron geweckt hatte. Zudem war offensichtlich, daß er nur widerstrebend an dieser Sache teilnahm. Das alles machte ihn zum schwachen Glied in der Kette. So richtete Ehlana ihre Aufmerksamkeit auf Elron, denn die Zeit mochte kommen, da sie es nutzen konnte, daß er nicht mit dem Herzen bei der Sache war. Die Kutsche hatte sie vom Hafen zu einem großen Haus am Stadtrand von Anan gebracht. Dort hatte Scarpa sich mit einem hageren Mann unterhalten, dessen Gesichtsschnitt ihn als Styriker auswies. Sein Name war Keska, und in seinen Augen lag der Ausdruck eines hoffnungslos Verdammten.
»Die Unbequemlichkeit ist mir egal!« hatte Scarpa den Hageren angeschrien. »Auf die Zeit kommt es an, Keska, auf die Zeit! Solange es uns nicht umbringt, können wir es schon aushalten!«
Am nächsten Morgen war die Bedeutung dieses Befehls nur allzu offensichtlich geworden. Keska war anscheinend einer dieser ausgestoßenen styrischen Magier, aber kein sehr guter. Mit großer Mühe, die ihm alles abverlangte, konnte er den langen Weg zu Scarpas Ziel verkürzen, aber jeweils nur in kleinen Etappen, und dieses unbeholfene Vorgehen verursachte jedesmal schreckliche Schmerzen. Es war beinahe so, als würde der unbeholfene Magier sie in die Höhe reißen und sie mit jeder Unze seiner Kraft blindlings nach vorn schleudern. Nach jedem dieser gräßlichen, schmerzhaften Sprünge fragte Ehlana sich, ob sie heil davongekommen war. Sie fühlte sich zerrissen und zerschmettert, aber sie tat, was sie konnte, um ihre
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