Tamuli 3 - Das Verborgene Land
an Aphraels Gesellschaft gewöhnt seid«, erklärte Sephrenia müde. »Sie soll in Gegenwart von Anbetern anderer Gottheiten nicht auf diese Weise mit ihrer eigenen Göttlichkeit prahlen, das zeugt von den allerschlechtesten Manieren, und das weiß sie. Sie tut es nur, um Edaemus zu ärgern. Erstaunlich, daß sie mit dieser übertriebenen Zurschaustellung ihrer göttlichen Persönlichkeit nicht bereits die ganze Stadt dem Erdboden gleichgemacht oder zumindest das Stroh auf den Dächern angezündet hat.«
»Das sind gehässige Worte, Sephrenia!« beschwerte sich Aphrael.
»Dann benimm dich!«
»Nur, wenn Edaemus sich ebenfalls benimmt!«
Sephrenia seufzte und verdrehte die Augen himmelwärts.
Sie betraten den Südflügel des weitläufigen Gebäudes, das die Stadt Delphaeus war, und folgten einem dämmrigen Gang zu Cedons Tür. Der Anari wartete auf sie; Staunen sprach aus seinem Greisengesicht. Er fiel auf die Knie, als sich ihm das Licht näherte, das Edaemus verkörperte.
Der Gott dämpfte das Leuchten, nahm menschliche Gestalt an und half Cedon sogleich sanft auf die Füße. »Das ist nicht nötig, mein alter Freund«, versicherte er dem Greis.
»Aber Edaemus«, rief Aphrael. »Du siehst ja richtig gut aus! Du solltest dich nicht hinter diesem blendenden Licht vor uns verstecken.«
Ein schwaches Lächeln huschte über das ewig junge Antlitz des delphaeischen Gottes. »Versuche nicht, mich mit Schmeicheleien zu betören, Aphrael. Ich kenne dich und weiß, wozu du fähig bist. So leicht wirst du mich nicht umgarnen.« »Ach, wirklich? Du bist bereits umgarnt, Edaemus. Ich spiele jetzt nur mit dir. Meine Hand liegt schon um dein Herz. Bald werde ich sie darum schließen und dich zu meinem Eigen machen.« Ihr Lachen klang wie Silberglöckchen.
»Aber das ist eine Sache zwischen dir und mir, Vetter. Momentan haben wir anderes zu tun.«
Xanetia umarmte den greisen Cedon voller Zuneigung. »Wie du mühelos erkennst, mein lieber alter Freund, brechen gewaltige Veränderungen über uns herein – eine tödliche Gefahr, die unsere ganze Welt verändert. Widmen wir uns als erstes dieser Bedrohung; dann können wir uns in Ruhe die Zeit nehmen, den Wandel der Dinge zu bestaunen.«
Cedon führte seine Besucher die drei abgetretenen Stufen hinunter in sein niedriges Gemach mit den nach innen gewölbten, weiß getünchten Wänden, der gemütlichen Einrichtung und dem wohltuenden, offenen Feuer.
»Erzähl ihnen, was sich zugetragen hat, Xanetia«, bat Aphrael und setzte sich auf Sephrenias Schoß. »Das erklärt vielleicht, weshalb ich alle Regeln außer acht lassen und hierher kommen mußte.« Sie warf Edaemus einen schelmischen Blick zu. »Egal, was du jetzt vielleicht denkst, Vetter, aber ich habe durchaus gute Manieren, und wir befinden uns in einem Notfall.«
Sephrenia lehnte sich in ihrem Sessel zurück, als Xanetia über die Ereignisse der vergangenen Monate zu berichten begann. Von Delphaeus ging ein Friede aus, eine wohltuende Ruhe, die Sephrenia bei ihrem letzten Besuch nicht bemerkt hatte. Ihr Herz und ihre Gedanken waren damals so von Haß besessen gewesen, daß sie kaum Notiz von ihrer Umgebung genommen hatte. Die Delphae hatten Sperber angefleht, ihr Tal vom Rest der Welt abzuschließen, aber das erschien Sephrenia unnötig. Die Delphae gehörten gar nicht mehr zur wirklichen Welt; sie schienen nicht einmal mehr menschlich zu sein. Insgeheim und gegen ihr besseres Wissen beneidete Sephrenia sie um ihre … ihre … ihr fiel das Wort nicht mehr ein. »Ärgerlich, nicht wahr?« murmelte die Kindgöttin. »Das Wort, nach dem du suchst, ist Serenität.«
»Und du tust alles, was in deiner Macht steht, diese Serenität zu stören, nicht wahr?« »Die Delphae sind nach wie vor Teil dieser Welt, Sephrenia – zumindest noch eine Zeitlang. Ich erinnere sie lediglich daran, daß wir anderen noch hier sind.« »Du benimmst dich Edaemus gegenüber ausgesprochen mies!«
»Ich versuche nur, ihn in die Wirklichkeit zurückzuholen. Er war die letzten hundert Jahrhunderte allein und hat vergessen, wie es ist, uns andere um sich zu haben. Daran erinnere ich ihn. Es ist zu seinem Besten, glaub mir. Er hatte bereits eine gewisse … Selbstgefälligkeit entwickelt.« Sie rutschte vom Schoß ihrer Schwester. »Wird Zeit, daß ich ihm eine weitere Lektion erteile.« Sie durchquerte das Gemach, stellte sich vor Edaemus und blickte ihm mit ihren großen, dunklen Augen flehend ins Gesicht.
Der Gott der Delphae war so gefangen von
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