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Tante Dimity und der Fremde im Schnee

Tante Dimity und der Fremde im Schnee

Titel: Tante Dimity und der Fremde im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
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gar nicht aus wie ein Priester, aber bevor mir diese Dummheit entschlüpfen konnte, wandte ich ein:
    »Auf mich warten zwei kleine Kinder zu Hause.«
    Der Priester neigte den Kopf leicht zur Seite.
    »Und die beiden sind ganz allein?«
    »Seien Sie nicht albern«, entgegnete ich lä chelnd. »Mein Schwiegervater passt auf sie auf.«
    »Und wird er zusammenbrechen, wenn Sie ein paar Stunden später als besprochen heimkommen?«
    »Nein«, sagte ich, »aber …«
    »Bitte.« Julian ergriff meine Hand. »Wir sind spätestens um vier wieder zurück in Oxford. Sie haben zwei Kinder, die auf Sie warten, und auf mich warten 150 hungrige Männer.« Meine Abwehr bröckelte. Dimity hatte mich beauftragt, Smittys Familie oder Freunde zu finden, aber ihre Anweisungen bedeuteten mir weniger als der Blick aus seinen dunkelblauen Augen. Ich hatte das Gefühl, als müsse ich Smittys Vertrauen in mich rechtfertigen. Vielleicht sollte ich allein deswegen mit auf die Blackthorne Farm fahren, um diesen Priester davon abzuhalten, einen hilflosen Mann in eine psychiatrische Anstalt zu verfrachten.
    Ich blickte auf Julians Finger und stellte zu meiner eigenen Beunruhigung fest, dass ich sie fast so schön fand wie Smittys. Sachte entzog ich ihm meine Hand und tat die Orden wieder in den Lederbeutel. »Haben Sie schon auf der Farm angerufen?«
    »Ich habe es versucht«, antwortete Julian.
    »Aber aufgrund des Schneesturms sind die Verbindungen unterbrochen.«
    Ich schnaubte frustriert. »Wenn die Leitungen tot sind, sind die Straßen wahrscheinlich unpassierbar. Ich fahre einen Mini, Julian, der kann es mit Schneewehen nicht aufnehmen. Wie sollen wir dahin kommen?«
    »Hab Vertrauen, mein Kind.« Er strahlte mich triumphierend an und steckte den Lederbeutel in die Tasche. »Sankt Christophorus wird uns beistehen.«

6
    JULIANS KHAKIFARBENER LANDROVER  sah aus, als gehörte er auch auf eine Intensivstation. Julian behauptete, dass die zahlreichen Beulen des Wagens seine Qualitäten belegten. Ich ließ mich lieber von dem Satz brandneuer Winterreifen und der gut geölten Seilwinde an der vorderen Stoßstange überzeugen.
    Julian strich voller Besitzerstolz über das Armaturenbrett, als wir aus der Tiefgarage fuhren.
    »Hab’ ihn in Mombasa gekauft.«
    »Da musste er wohl kaum verschneite Straßen überwinden«, meinte ich.
    »Übrigens habe ich ihn Sankt Christophorus getauft.« Julian legte einen Schalter um, und eine Hitzwelle breitete sich im Wagen aus.
    »Zumindest werden wir nicht erfrieren, wenn wir mit Christophorus in einer Schneewehe landen«, lautete mein Kommentar.
    Julians Blick ging nach oben. »Oh, ihr Kleinmütigen«, murmelte er.
    Ich zog mein Handy aus der Manteltasche und rief Willis senior an. Wie erwartet, zeigte er sich ob der Änderung meine Pläne völlig ungerührt. Nebenbei informierte er mich darüber, dass Bill sicher in Boston gelandet war. Gegen Ende unseres Gespräches war ich mir sicher, dass mein Schwiegervater sich wie ein Schneekönig darüber freute, dass Bill und ich eine Weile fort waren und er seine Enkel ganz für sich allein hatte.
    Die Sonne schien, aber ein starker Wind wehte, als wir uns mühsam aus den Tentakeln Oxfords befreiten. Blackthorne Farm lag irgendwo in der Nähe eines Dorfes namens Great Gransden, etwa zwanzig Meilen westlich von Cambridge. Es gab keinen direkten Weg – den gibt es in England selten –, aber Julian hatte einen Zickzackkurs ausgearbeitet, der uns in etwa zwei Stunden an unser Ziel bringen würde, Schneewehen nicht mit eingerechnet.
    Ein blendendes weißes Tuch bedeckte die Landschaft, so weit das Auge reichte, aber zum Glück hatte sich bereits eine Armee von Schneepflügen in Bewegung gesetzt, und die Hauptstra ßen waren frei. Ich setzte meine Sonnenbrille auf und legte Julians abgegriffenen Straßenatlas in den Schoß, falls er nach dem Weg fragte.
    »Was haben Sie denn in Mombasa gemacht?«, fragte ich.
    »Damals sah ich mich als Missionar«, antwortete er. »Aber das Trinkwasser war schließlich für meinen Sinneswandel verantwortlich. Irgendwann ist Durchfall nicht mehr witzig.«
    Ich musste lächeln. Julians Humor sagte mir zu.
    »Und jetzt«, sagte er mit leicht ironischem Unterton, »wollen Sie mich bestimmt fragen, warum ich Priester geworden bin. Das wollen die Leute immer als Erstes wissen.«
    »Das Konzept der Berufung ist mir nicht ganz fremd«, entgegnete ich trocken. »Ich bin katholisch erzogen worden.«
    »Sie scherzen.« Julian sah mich von der Seite

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