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Tante Dimity und der Fremde im Schnee

Tante Dimity und der Fremde im Schnee

Titel: Tante Dimity und der Fremde im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
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an.
    »Ich bin in der West Side von Chicago geboren, die Tochter einer irischen katholischen Mutter«, teilte ich ihm mit.
    Der Priester seufzte aus tiefstem Herzen:
    »Gott sei Dank«, murmelte er.
    »Warum so erleichtert?«, fragte ich.
    »Weil Sie die Rituale kennen«, antwortete Julian. »Nun muss ich nicht die Hälfte der Strecke alberne Fragen beantworten.«
    »Als da wären?«
    Julian trommelte auf das Lenkrad. »Warum bete ich Statuen an? Gibt es einen Geheimtunnel zwischen dem Nonnenkloster und dem Pfarrhaus? Wenn mir der Papst befehlen würde, ein Kind zu töten …«

    »Fragen die Leute so etwas wirklich?«, unterbrach ich ihn ungläubig.
    »Das tun sie.« Julian nickte heftig. »Und wenn es gar um den Zölibat geht …«
    »Ich kann es mir vorstellen«, fügte ich rasch ein. Langsam begriff ich, mit was sich ein katholischer Priester in einem protestantischen Land herumplagen musste. »Verzichten Sie deshalb auf Ihren Priesterkragen? Um … unnötigen Konfrontationen aus dem Weg zu gehen?«
    Julians Gesicht verdüsterte sich. Er griff sich an den Rollkragen seines schwarzen Pullovers, bevor er die Hand wieder auf das Lenkrad legte.
    »Eigentlich nicht«, sagte er, den Blick auf die Straße gerichtet.
    Auch ich schaute nach vorne. Offenbar hatte ich ein heikles Thema berührt, sonst wäre er nicht so still geworden. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. »Es muss faszinierend sein«, begann ich schließlich, »ein Heim wie Sankt Benedikt zu leiten.«
    »Verglichen mit Mombasa ist es ein Vergnü gen.« Julian räusperte sich und schenkte mir ein etwas schüchternes Lächeln, so als wolle er sich für seine etwas schroffe Art entschuldigen.
    »Mein Verdauungstrakt reagiert viel positiver auf das Trinkwasser.«

    »Ist es wahr, was Schwester Willoughby gesagt hat, dass Sie Bischof hätten werden können?«
    »Schwester Willoughby hat wie gewöhnlich etwas übertrieben.« Er lockerte den Griff am Lenkrad und entspannte sich etwas. »Ich war der Sekretär des Bischofs. Irgendwann kamen mir Zweifel, ob gewisse Spenden an die richtigen Stellen gelangten. Der Bischof fand, dass ich unter den Armen arbeiten sollte, da ich mich offensichtlich so um sie sorgte. Daher meine Versetzung nach Sankt Benedikt.«
    »Sankt Benedikt ist also eine Strafe«, sagte ich.
    »Eine, die sich als Geschenk entpuppt hat«, entgegnete Julian. »Ich bin nicht der Mann für Schreibtischarbeit.«
    Oder für Heuchelei, dachte ich. Ich schloss den Atlas und schob ihn in das Kartenfach in der Tür. Dann wischte ich mir mit der Hand den Schweiß von der Stirn. Die Hitze war mittlerweile so erdrückend geworden, dass ich die Versuchung spürte, mich bis auf das Seidenmieder auszuziehen, das ich unter der Samttunika trug, entschied mich aber letzten Endes dafür, den Mantel aufzuknöpfen.
    »Hat Smitty Ihnen wirklich das Leben gerettet?«, fragte ich.

    »Damit hat er sich mir praktisch vorgestellt.«
    Julian klappte die Sonnenblende herunter und justierte den Rückspiegel. »Vor einem Monat brach im Speisesaal von Sankt Benedikt eine Schlägerei aus. Als ich versuchte dazwischenzugehen, schnappte sich ein Kerl namens Bootface ein Küchenmesser und drohte mir, mich zu zerlegen wie ein rohes Steak.«
    »Jesus!«, rief ich aus, nur um meine Wortwahl sogleich zu bedauern.
    Julian lächelte nur amüsiert. »Auch ich habe ein rasches Gebet gesprochen. Und wie es sich erwies, wurde es erhört.«
    »Wie?«, fragte ich.
    »Smitty kam herein«, erzählte Julian. »Er hatte sich eben erst angemeldet. Er stellte seine Habseligkeiten auf den Boden, sah sich um und fing an, die Tische und Stühle aufzustellen, die bei der Prügelei umgefallen waren, so als wolle er Bootface von mir ablenken.«
    »Und wie hat dieser Bootface reagiert?«
    »Er ist ausgerastet«, antwortete Julian. »Er ging auf Smitty los wie ein wütender Stier.« Der Priester sah mich kurz an. »Sie erraten nie, was Smitty getan hat.«
    »Ich nehme an, er ist um sein Leben gelaufen.«

    »Er lächelte.« Julian schüttelte den Kopf, als könne er es noch immer nicht fassen. »Das war alles. Nur dieses Lächeln. Bootface war so konsterniert, dass zwei Männer ihn packen konnten und festhielten, bis die Polizei eintraf und ihn einkassierte. In Sankt Benedikt darf man Morddrohungen nicht auf die leichte Schulter nehmen.«
    »Verstehe ich Sie recht?« Ich schob ein Bein unter das andere und wandte mich zu Julian.
    »Ein Irrer mit einem Messer stürmt auf Smitty los, und der lächelt

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