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Tante Dimity und der Kreis des Teufels

Tante Dimity und der Kreis des Teufels

Titel: Tante Dimity und der Kreis des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
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ist kein junger Mann mehr, wissen Sie.
    Abends ist er meist erschöpft.«
    Ich vertrieb Adams Bild aus meinen Gedanken und versuchte, mich auf unser Gespräch zu konzentrieren. »Wie oft fährt Ihr Mann denn nach Newcastle?«
    »Einmal im Monat«, erwiderte sie. »Und wenn er weg ist …«
    Sie sah nachdenklich zum Fenster hinaus, dann trat sie an den Fuß der Leiter, von wo sie mich mit großen, ernsten Augen ansah. Sie wollte gerade etwas sagen, als ein markerschütterndes Quietschen ertönte.
    Mrs Hatch kam durch die Tür des Arbeitszimmers.
    »Das Mittagessen«, sagte Nicole. »Und, Mrs Hatch, würden Sie bitte Ihrem Mann sagen, er möchte sich endlich um diese Tür kümmern?«

    Das Mittagessen war ungezwungen, es bestand aus Suppe und Sandwiches, die im Speisezimmer serviert wurden. Während wir aßen, erzählte Nicole mir, dass sie eine Waise sei.
    »Ich war noch ein Baby, als meine Eltern starben und Onkel Dickie mein Vormund wurde«, sagte sie. »Onkel Dickie ist der einzige Vater, den ich je kannte, und ich hätte mir keinen Besseren wünschen können.«
    Ich versuchte, das Gespräch wieder in jene Richtung zu steuern, in der wir es in der Bibliothek abgebrochen hatten, aber Nicole schien nicht weiter darüber reden zu wollen, wie es war, wenn Jared nach Newcastle fuhr. Mir konnte es recht sein. Sie war so einsam, so unglücklich und so blutjung, dass ich wusste, sie würde sich mir früher oder später anvertrauen.
    Nach dem Essen entschuldigte sie sich von der Bibliotheksarbeit, weil sie Telefongespräche zu erledigen hatte. Ich kehrte zu meinem Hochsitz auf der Leiter zurück und fuhr allein in meiner Arbeit fort.
    Zwei Stunden später war ich müde, verdreckt und völlig entmutigt. Josiah Byrds Interessen hatten offenbar überwiegend auf dem Gebiet der Theologie gelegen. All die schönen Ledereinbände, die aus der Ferne so verlockend ausgesehen hatten, bargen Inhalte, die trocken wie Stroh und ungefähr genauso wertvoll waren. Es gab nun mal keine Nachfrage nach Sammlungen von Predigten, die Tod und Verdammnis verkündeten, ebenso wenig nach Kommentaren zum Alten Testament. Wenn die restlichen Bücher in der Bibliothek so fesselnd waren wie die an der Ostwand, würde es ein sehr langweiliges Wochenende für mich werden.
    Ich saß auf der unteren Sprosse und dachte gerade über diese Verschwendung von feinem Maroquinleder nach, als mein Blick auf einen Farbklecks fiel, einen schmalen Streifen Orange, der wie ein Regenbogen in einer trockenen Wüste leuchtete. Ich stand auf, um nachzusehen, was es war.
    Am Ende des untersten Bords, gleich neben dem Rolltop-Schreibtisch, stand ein dünner Leinenband, der aus einer völlig anderen Bibliothek zu stammen schien. Ich nahm ihn vom Bord und rannte fast zur nächsten Lampe, hoch erfreut über meinen Fund.
    » Shuttleworth’ Vögel «, flüsterte ich und streichelte zärtlich über den verblichenen Einband.
    Dieses Kinderbuch über die Vögel Englands war weder besonders selten noch wertvoll, aber mit seinen detailgetreuen Aquarellen und den verspielten, witzigen Versen dazu war es entzü ckend. Das Titelblatt wies es als ein Exemplar der ersten Auflage aus, das 1910 erschienen war, nur vier Jahre ehe der Verfasser im Ersten Weltkrieg fiel – in dem Großen Europäischen Krieg, wie Adam ihn genannt hatte.
    Auf dem Vorsatzblatt entdeckte ich eine Widmung in einer noch jugendlichen Schrift. Sie trug das Datum 31. Oktober 1910. Halloween, dachte ich und freute mich über den Zufall: In nur sechs Tagen war der Tag vor Allerheiligen.
    »Für Claire zu ihrem zwölften Geburtstag«, las ich laut, »zum Andenken an viele sonnige Tage auf dem Moor. Edward.«
    Wie schön für Claire und Edward, dachte ich und sah in den düsteren Garten hinaus. Ich hätte viel für einen sonnigen Tag auf dem Moor gegeben, und für einen Freund, der ihn mit mir teilte.
    Ich betrachtete wieder die Widmung und fragte mich, warum ich annahm, dass Edward Claires Freund gewesen war. Er könnte auch ein Bruder, ein Vetter oder ein Onkel gewesen sein.
    Wer immer er war, er hatte sich mit der Gestaltung der Widmung Mühe gegeben. Er hatte sie ordentlich in die Mitte des Blattes gesetzt und offenbar versucht, seine ausufernde Handschrift unter Kontrolle zu bekommen. Mir schien, dass der Name Claire mit besonderer Sorgfalt geschrieben war.
    Wer war sie?, überlegte ich, als ich das Buch zuklappte. Nicole schien sich in der Geschichte ihrer Familie gut auszukennen. Würde sie das Mädchen Claire

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