Tante Dimity und der Kreis des Teufels
eingeteilt.
Wir sind weit von der Gefahrenzone entfernt und wohnen in einem Château . Da wir in Kürze einen neuen Angriff erwarten , wirkt die großartige Umgebung ziemlich grotesk , aber wir können täglich baden , schlafen in richtigen Betten und haben Zucker für unseren Tee , also sollten wir nicht klagen .
Der nächste Brief, der zwei Tage später geschrieben wurde, war rätselhaft.
Heute Früh radelten Mitchell und ich an der Gartenmauer des Châteaus entlang , als eine verirrte Handgranate – eine von unseren , vom Übungsplatz – weniger als hundert Meter vor uns einschlug . Wir schmissen uns hin , bekamen aber den üblichen Dreck ab – und noch etwas , etwas Wunderbares .
Der Garten gab einen verborgenen Schatz frei ! Wir trauten unseren Augen kaum . Es war , als sei ein Geschenk vom Himmel gefallen , und schnell entschieden wir , dass es pietätlos wäre , dieses Geschenk des Himmels abzulehnen .
Du magst es verwerflich finden , mein Liebling , aber der Eigentümer des Châteaus ist tot , und sein einziger Erbe fiel bei Verdun , und ich wäre verrückt , wenn ich es bei den » rechtmä ßigen Stellen « abliefern würde . Die bekommen schon lange wesentlich mehr von uns , als ihnen zusteht .
Ich schicke dir meinen Anteil als ständige Erinnerung an das Versprechen , das wir uns geben werden , wenn wir uns das nächste Mal sehen , egal , ob mit Zustimmung deines Vaters oder ohne sie .
Das erhoffte Wiedersehen fand nie statt, und das Versprechen wurde nie gegeben. Ein Zeitungsausschnitt, der zwischen den Briefen lag, berichtete, dass Edward Frederick Cresswell am 8. September 1917 fiel. Drei Jahre nachdem er sich freiwillig gemeldet hatte, fiel er der dritten Schlacht bei Ypern zum Opfer, die unter den Soldaten, die dort kämpften, auch als die Schlacht um Passchendaele bekannt war.
Er war gerade einundzwanzig Jahre alt geworden.
»Arme Claire«, sagte Nicole leise. »Sie muss an gebrochenem Herzen gestorben sein.«
Der letzte der Briefe war in einer sehr sorgfältigen Handschrift geschrieben, ganz anders als Edwards unbekümmertes Gekrakel.
Liebe Miss Byrd ,
Bitte entschuldigen Sie , dass ich Ihnen schreibe , aber mir ist , als kennte ich Sie . Ted hat so oft von Ihnen gesprochen und bei jeder Gelegenheit Ihr Bild gezeigt . Er war ein großartiger Mensch , und ich bin stolz darauf zusammen mit ihm gedient zu haben . Ich weiß , dass Sie ihn schmerzlich vermissen werden , aber ich hoffe auch , dass es Ihnen ein Trost sein wird zu wissen , dass seine Männer ihn sehr geschätzt haben und dass er nun in einer besseren Welt Frieden gefunden hat .
Ihr ergebener
Oberleutnant P . Mitchell Das erste graue Morgenlicht drang ins Zimmer, als Adam Leutnant Mitchells Brief fertig gelesen hatte. Seine Stimme war heiser, und er sah müde aus, als hätte die Reise der letzten Nacht ihn völlig erschöpft. Er legte den letzten brüchigen Briefbogen neben den Zeitungsausschnitt, stand auf und ging ans Fenster zu dem Messingfernrohr, wo er stehen blieb und lange auf das leere, graue Moor hinausblickte.
Ich hörte das Ticken der Uhr über dem Kamin und empfand ein taubes Gefühl der Niederlage.
Edward hatte so vieles und so lange überlebt, dass er unverletzlich schien. Ich konnte es nicht fassen, dass er tot war.
»Passchendaele.« Den Blick noch immer in die Ferne gerichtet, sprach er mit dumpfer Stimme den Namen des Ortes aus.
»Ein flandrisches Dorf, umgeben von Mooren, die durch ein System von Kanälen und Deichen trockengelegt waren. Dieses Entwässerungssystem wurde durch Artilleriefeuer zerstört, und als es regnete, wurde wieder ein Moor daraus.
Felder wurden zu schmatzenden Sümpfen, in denen ganze Pferde verschwanden. Verwundete fielen in den Schlamm, wo sie ertranken. Die Toten versanken ohne Spur. Mehr als vierzigtausend Soldaten verschwanden in diesem unersättlichen Morast. Die Bauern dort finden noch heute ihre Gebeine.«
Ich wechselte einen besorgten Blick mit Nicole und ging zu Adam hinüber. Seine Augen waren glasig und starr, als spräche er in Trance, und ich fühlte mich schuldig, weil ich ihn so viel hatte vorlesen lassen. Es war schwer genug gewesen, Edwards Beschreibungen zu hören. Aber sie zu lesen, in seiner eigenen Handschrift und auf Papier, das vom Schlamm der Schlachtfelder bespritzt war, muss noch schmerzlicher gewesen sein.
»Er hat kein Grab«, murmelte Adam. »Josiah hat ein Mausoleum, aber Edward hat nicht mal ein Grab.«
Adam musste eigentlich besser
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